Erwerbstätigkeit im Rentenalter

Die Erwerbstätigkeit von Personen 65+ stabilisiert die Altersvorsorge und kann den Fachkräftemangel lindern. Das Projekt untersucht, welche Faktoren eine Erwerbstätigkeit 65+ ermöglichen und was dazu motiviert.

Steckbrief

Persönliche Entscheidungsfaktoren für Arbeit mit 65+

Die individuellen Gründe nach dem Rentenalter weiterzuarbeiten wurden unter anderem anhand einer internationalen Literaturanalyse kategorisiert und zu folgenden Entscheidungsfaktoren zusammengefasst: 

Soziales Umfeld:

Die Partner*innen, Kinder und Verwandten spielen eine wesentliche Rolle bei der Entscheidung, nach dem Pensionsalter (nicht) weiterzuarbeiten. Aber auch der (tolle oder eher mühsame) Kontakt zu Arbeitskolleg*innen oder zu Freund*innen ausserhalb der Arbeitswelt kann den Entscheid beeinflussen.

Finanzielle Situation:

Für manche Menschen besteht ein ökonomischer Bedarf zum Weiterarbeiten, während der finanzielle Anreiz für andere weniger bedeutend ist.

Persönliche Verbindung mit der Arbeit:

Wer sich im Job selbst erfüllen, den eigenen Interessen nachgehen und sich mit den Werten der Arbeitsorganisation identifizieren kann, möchte nach dem Pensionsalter eher weiterarbeiten. Das Gleiche gilt für Menschen, die über das Arbeitspensum, die Arbeitszeiten und -orte mitbestimmen können. Auch eine Rolle spielt die Möglichkeit, die eigenen Kenntnisse an jüngere Generationen weiterzugeben.

Gesundheit:

Die Entscheidung zur weiteren Erwerbstätigkeit hängt auch von der Gesundheit ab. Um weiter arbeiten zu können, muss man körperlich und psychisch ausreichend fit sein. 

Frühere Entscheidungen:

Frühere Lebensentscheidungen prägen später auch die Entscheidung über eine verlängerte Erwerbstätigkeit. Sei es bei der Arbeit – wie beispielsweise eine Weiterbildung oder ein Teilzeitpensum – oder ausserhalb der Arbeit – wie beispielsweise eine lange Familienpause oder ein Umzug.
 

Und, wie lange arbeiten Sie noch?

In der auf drei Sprachen erhältlichen Broschüre erzählen drei Frauen und drei Männer im Pensionsalter, warum sie weiterarbeiten. Einige blieben in der vertrauten Branche – etwa im Gesundheitswesen oder an der Hochschule. Andere entschieden sich dafür, sich mehr auf ihre alte Leidenschaft wie die Fotografie oder den Gesang zu konzentrieren. Zusammen geben diese sechs Porträtierten ein intimes und vielfältiges Bild davon, wie Arbeiten nach der Pensionierung aussehen kann – abseits der bekannten Stereotypen.

Handlungsempfehlungen für die Schweiz

Gemäss einer zweistufigen Delphi-Befragung plädieren nationale und internationale Expert*innen aus Politik, Arbeitsökonomie, Soziologie und Altersforschung für mehr Flexibilität und Freiwilligkeit beim Übergang in die Nacherwerbsphase. So könnten Teilpensionierungen oder die Kombination von Erwerbs- und Renteneinkommen den schrittweisen Rückzug aus dem Erwerbsleben ermöglichen. Dabei sollten jedoch die gesellschaftliche Solidarität und Systemstabilität gewahrt bleiben und privilegierte Gruppen nicht überproportional begünstigt werden. 

Aus den Ergebnissen dieser Expert*innenbefragung, lassen sich politische, wirtschaftliche und kulturelle Handlungsempfehlungen ableiten, um die Erwerbstätigkeit 65+ zu fördern.

Transparenz und Anreizwirkung fortgesetzter AHV-Beiträge stärken 

Informationskampagnen können ältere Arbeitnehmende über die Vorteile von fortgesetzten Beiträgen an die AHV informieren. Das Verfahren zur Beantragung einer Rentenneuberechnung sollte vereinfacht werden.

Umsetzung und Bekanntheit stufenweiser Pensionierungsoptionen stärken 

Die Rentenreform AHV-21 kann gezielt für stufenweise Pensionierung genutzt werden: Dazu müssten Info-Tools für Arbeitgebende & Arbeitnehmende entwickelt, KMU bei der Umsetzung unterstützt und der chancengleiche Zugang branchenübergreifend und geschlechtersensibel gesichert werden.

Arbeitgebende zur Förderung altersfreundlicher Arbeitsumgebungen motivieren 

Unternehmen könnten durch finanzielle und technische Anreize zur Einführung einer altersfreundlicher Personalpolitik und zu freiwilligem Benchmarking motiviert werden. Einschlägige Initiativen wie Focus50plus können unterstützt und weiter bekannt gemacht werden.

Bildung und Sensibilisierung ausbauen 

Die Förderung von Schulungs- und Sensibilisierungsprogrammen für HR-Fachleute und Führungskräfte kann der Altersdiskriminierung bei Anstellung und Beförderung entgegengewirken. Um der Komplexität altersbezogener Herausforderungen gerecht zu werden, sollten hier intersektionale Dimensionen einbezogen werden. 

Monitoring der Umsetzung von Rentenreformen und Anreizsystemen  

Es sollte ein nationales Monitoring zur Analyse der Auswirkungen von Rentenreformen und Anreizsystemen auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen geschaffen werden.
 

Arbeit nach 65: «Ja, gerne» oder «Nein, danke»?

In der Schweiz kann sich fast die Hälfte der Arbeitnehmenden ab 45 Jahren vorstellen, nach der Pensionierung weiterzuarbeiten. Dennoch bleiben heute noch viele Fragen offen. Das Forschungsprojekt «Erwerbstätigkeit nach der Pensionierung» hebt sechs wichtige gesellschaftlichen Fragen zum verlängerten Arbeitsleben hervor.

  • Gesundheit: Wie beeinflusst das Arbeiten nach der Pensionierung die Gesundheit?
  • Wahrnehmungen: Wie werden ältere Arbeitnehmende wahrgenommen?
  • Auf zu einer neuen Stelle: Wie funktionieren Stellensuche und -vermittlung im Alter?
  • Frühe Entscheidung: Welche Ereignisse beeinflussen die Entscheidung zum Weiterarbeiten?
  • Pflege und Betreuung: Wie können Arbeit und informelle Pflege miteinander verbunden werden?
  • Unterschiedliche Ausgangslagen: Starten alle am gleichen Ort?

Ausgangslage + Vorgehen

Die Alterung der Gesellschaft geht mit einem Rückgang des Bevölkerungsanteils der unter 65-Jährigen einher. Dies stellt eine Herausforderung für die Systeme der Altersvorsorge darstellt und verschärft den bereits jetzt bestehenden Fachkräftemangel in verschiedenen Berufsfeldern weiter. Eine erhöhte Erwerbsbeteiligung von Personen über 65 Jahren könnte einerseits einen Beitrag zur Stabilisierung der finanziellen Altersvorsorge leisten und andererseits den Fachkräftemangel lindern – insbesondere in Berufsfeldern mit geringer Mobilität.

Das Projekt Erwerbstätigkeit im Rentenalter trägt dazu bei, die Motive, Ermöglichungsfaktoren und Hindernisse einer Erwerbstätigkeit über das Referenzrentenalter hinaus zu verstehen. Dadurch können die heterogenen Zielgruppen unter den über 65-Jährigen gezielt angesprochen und in höherem Ausmass für den Arbeitsmarkt gewonnen werden.

Unter Einbezug internationaler Expertise einerseits und der relevanten Anspruchsgruppen in der Schweiz andererseits werden zudem arbeitgebendenseitige und gesetzlich geregelte Anreizstrukturen analysiert und konkrete Verbesserungsmassnahmen vorgeschlagen. Dabei betrachtet das Projekt drei verschiedene Entscheidungsebenen:

  1. Die gesetzlichen Regelungen auf der Makroebene: Inwiefern hat eine Person im Rentenalter rechtlich gesehen noch Zugang zum Arbeitsmarkt?
  2. Die Organisationen auf der Mesoebene: Welche Arbeitsmodelle können Arbeitgebende den Arbeitnehmenden im Rentenalter anbieten?
  3. Die individuelle Mikroebene: Was spricht bei älteren Arbeitnehmenden persönlich für oder gegen die Erwerbstätigkeit im Rentenalter?

Berichte + Artikel

age.int - Internationale Expertise für das Leben im Alter

AGE-INT ist das grösste nationale Forschungsprojekt, das sich praxisorientiert mit einem trans- und interdisziplinären Projektteam in den drei grössten Sprachregionen der Schweiz mit den Herausforderungen und Chancen des demographischen Wandels auseinandersetzt. Ziel des Vorhabens ist es, in ausgewählten Schwerpunktfeldern national sowie auch international Wissen und Best Practice-Beispiele ausfindig zu machen und für eine breite Öffentlichkeit und Entscheidungstragende sichtbar und zugänglich zu machen.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs