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Opferhilfe. Ein ganzer Strauss relevanter Themen

11.09.2025 Beratungsstellen der Opferhilfe begleiten Menschen, die von einer Straftat betroffen sind. Sie bieten Unterstützung in juristischen, psychologischen, sozialen, materiellen und medizinischen Belangen. Im Interview erzählt Regula Fahrländer über ihre Arbeit und wie der CAS Opferhilfe sie dabei unterstützt, die grosse Breite an Themen im Blick zu halten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Opferhilfe begleitet Betroffene von Straftaten in rechtlichen, psychologischen, sozialen und praktischen Belangen.

  • Am Fall einer jungen Frau zeigt Regula Fahrländer, wie wichtig Aufklärung, rechtliche Begleitung und emotionale Unterstützung im Strafverfahren sind.

  • Der CAS Opferhilfe hilft, die breite Themenpalette systematisch im Blick zu behalten und stärkt die Handlungssicherheit in der Beratung.

Frau Fahrländer, Sie sind in der Opferhilfeberatung jeden Tag mit herausfordernden Situationen konfrontiert. Wie sieht Ihre Arbeit genau aus?

Regula Fahrländer: Jeder Fall ist anders und die Betroffenen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse. Meine Arbeit ist dadurch sehr vielseitig. Zuerst geht es darum, zu erfahren, was genau vorgefallen ist, und die betroffene Person über ihre Rechte als Opfer zu informieren. Gemeinsam ermitteln wir das konkrete kurz- beziehungsweise längerfristige Anliegen. Wenn nötig, vermitteln wir Fachpersonen wie Anwält*innen und Psycho­therapeut*innen, vernetzen die Person mit anderen Stellen oder organisieren ihr eine Schutzunterkunft.

Regula Fahrländer arbeitet seit 2023 bei der Stiftung Beratungsstelle Opferhilfe Bern. Sie studierte Internationale Beziehungen in Genf und Soziale Arbeit in Bern.
Regula Fahrländer arbeitet seit 2023 bei der Stiftung Beratungsstelle Opferhilfe Bern. Sie studierte Internationale Beziehungen in Genf und Soziale Arbeit in Bern.

Im CAS Opferhilfe arbeiteten Sie mit echten Fällen aus Ihrer Praxis. Können Sie uns einen Fall schildern?

Der Fall der 23-jährigen Frau S. wurde uns im Herbst 2023 von der Polizei gemeldet. Die rechtsmedizinische Abklärung und eine erste Einvernahme bei der Polizei hatten bereits stattgefunden. Beim Erstgespräch auf unserer Stelle war Frau S. noch nicht in der Lage, über das Geschehene zu sprechen. Später stellte sich heraus, dass sie beim Date mit einem entfernten Bekannten mit dem Messer bedroht und von ihm zu sexuellen Handlungen genötigt worden war. Als sie zu mir in die Beratung kam, wurde sie bereits psychologisch eng betreut.

In den folgenden Gesprächen konnte Frau S. sehr klar formulieren, dass sie grossen Respekt, wenn nicht gar Angst oder Panik davor habe, was im Strafverfahren auf sie zukommen würde. Für sie war es sehr wichtig, im Strafverfahren Unterstützung von der Opferhilfe zu erhalten. Ich informierte sie über den Ablauf sowie über die Rechte und Pflichten eines Opfers in einem Strafverfahren. Ich bereitete sie auf schwierige Termine vor und begleitet sie zu weiteren Anhörungen bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Für die rechtliche Vertretung im Strafverfahren vermittelte ich ihr eine Anwältin, die von der Opferhilfe finanziert wurde. Das Strafverfahren befindet sich derzeit in der Endphase, und es ist bald mit einem Urteil zu rechnen. Mit Frau S. und ihrer Anwältin stehe ich nach wie vor in Kontakt.

«Die Falldokumentation während des CAS half mir dabei, den Blick auf meine Fälle noch einmal weit zu öffnen, den ganzen Strauss an opferhilferelevanten Themen durchzugehen und mir zu überlegen, ob ich wirklich an alles gedacht habe.»

  • Regula Fahrländer Stiftung Beratungsstelle Opferhilfe Bern

Den Fall haben Sie auch für Ihre abschliessende Falldokumentation verwendet. Wie sind Sie dabei vorgegangen, und wo liegt für Sie der Nutzen einer guten Falldokumentation?

Ich orientierte mich an dem im CAS vermittelten Raster. Es hilft, die in der Weiterbildung erlernte Theorie auf Praxisfälle anzuwenden. In unserer Beratungsstelle gehen wir bei der Falldokumentation ebenfalls systematisch vor, wofür uns ein eigenes Fallführungssystem zur Verfügung steht. Im Rahmen des CAS umfasste die Falldokumentation die ganze Themenbreite der Opferhilfe. In der Praxis geht man aufgrund der Bedürfnisse der betroffenen Person aber schneller in die Tiefe und lässt einige Themen, die nicht relevant sind, ganz weg. Da Frau S. beispielsweise bereits psychologische Hilfe in Anspruch nahm, als sie zu mir kam, brauchte ich dies nicht mehr aufzugleisen. Die Falldokumentation während des CAS half mir dabei, den Blick auf meine Fälle noch einmal weit zu öffnen, den ganzen Strauss an opferhilferelevanten Themen durchzugehen und mir zu überlegen, ob ich wirklich an alles gedacht habe.

Opferberatung

In die Opferberatung kommen Personen, die durch eine Straftat direkt in ihrer physischen, psychischen oder sexuellen Integrität verletzt wurden. Eine Straftat kann für die Betroffenen, aber auch für ihre Angehörigen schwerwiegende gesundheitliche, soziale, berufliche oder finanzielle Folgen haben. Hier kann die Opferberatung rasch und unkompliziert Unterstützung bieten. Sie ist vertraulich, freiwillig und kostenlos. Sie ist vor Ort, telefonisch oder per Chat erreichbar und wird auch anonym angeboten. Entweder finden die Personen selbst den Weg zur Beratungstelle, oder sie werden mit ihrem Einverständnis von der Polizei gemeldet und die Opferhilfe nimmt Kontakt mit ihnen auf.

Hat dieser erweiterte Blick etwas in Ihrer Beratungstätigkeit verändert?

Ja, eindeutig. Als Opferhilfeberaterin werde ich mit sehr unterschiedlichen Situationen und vielfältigen Bedürfnissen konfrontiert. Die grosse Bandbreite an Themen und Hilfemöglichkeiten ist zugleich spannend und anspruchsvoll. Herauszufinden, welche Hilfe in der konkreten Situation notwendig und geeignet ist, kann manchmal stressig sein. Dank all den Dozierenden mit ihrer langjährigen Erfahrung half mir die Weiterbildung, mehr Hintergrundwissen zu den verschiedenen Themen zu erlangen – sei es Strafrecht, Haftpflichtrecht, Ausländerrecht etc. Da ich immer wieder mit traumatisierten Menschen zu tun habe, waren auch die Lehreinheiten zum Umgang mit traumatisierten Menschen sehr wertvoll. All das gibt mir in meiner Beratungstätigkeit mehr Sicherheit. Das kommt schlussendlich meinen Klient*innen zugute.

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