Wie generative KI unseren Umgang mit Plattformen verändert

23.06.2025 Wie Menschen online Inhalte erstellen und konsumieren, wird durch KI gerade grundlegend verändert. Im Gegensatz zu früheren Generationen von KI-Systemen, die darauf ausgelegt waren, Muster zu erkennen und Vorhersagen zu treffen, erstellt generative KI Inhalte in Form von Bildern, Text, Audio, Video und mehr, die den von menschlichen Experten erstellten Inhalten ähneln - jedoch in viel kürzerer Zeit, zu einem Bruchteil der Kosten und mit erstaunlicher Kreativität.
In einer Sonderausgabe «Generative AI and its Transformative Value for Digital Platforms» des Journals of Management Information Systems, konzentriert sich unser Forscher Prof. Ferdinand Thies von Institut Digital Management mit seinen Kollegen auf die Chancen und Herausforderungen, die generative KI für digitale Plattformen mit sich bringen.

Social-Media-Plattformen wie Twitter und YouTube, mobile App-Plattformen wie Apples App Store, E-Commerce-Plattformen wie Amazon, Freelance-Plattformen wie Upwork und Sharing-Economy-Plattformen wie Airbnb und Uber haben ganze Branchen umgestaltet und umgewälzt. Diesen Plattformunternehmen ist gemeinsam, dass sie Werte schaffen, indem sie Interaktionen und den Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen zwei oder mehr Gruppen ermöglichen, die ohne die Plattform nur schwer oder gar nicht miteinander in Kontakt gekommen wären.  

Seit neustem können aber alle Akteure und ihre Interaktionen untereinander durch generative KI verändert werden: Diese kann beispielweise noch nie dagewesene Formen der Personalisierung (d.h. Hyper-Personalisierung) ermöglichen, die es erlauben, ihre Angebote sofort auf die Präferenzen jedes einzelnen Nutzers abzustimmen. KI könnte ganze Plattformbranchen umwälzen und in eine Abwärtsspirale stürzen, während sie anderen bahnbrechende Möglichkeiten eröffnet.  

Trotz dieser vielversprechenden und teilweise gefährlichen Entwicklung ist das Zusammenspiel zwischen dem inhärenten Potenzial der generativen KI und ihrem transformativen Wert für digitale Plattformen nur unzureichend verstanden und bedarf weiterer Forschung.  

Die Gruppe um Ferdinand Thies interessiert sich daher besonders für den transformativen Wert der generativen KI für digitale Plattformen und die Auswirkungen auf die verschiedenen Stakeholder in einem digitalen Plattform-Ökosystem. Dabei stehen folgende Thesen/Merkmale im Vordergrund.  

1. Intelligente Automation 

Die Einführung intelligenter Automatisierung hat weitreichende Folgen für digitale Plattformen. Sie ermöglicht es diesen, ihren Betrieb in grossem Umfang auszuweiten, ohne dabei an Qualität zu verlieren – denn viele Prozesse können automatisiert gesteuert und überwacht werden. Dadurch lassen sich Transaktionskosten senken, also etwa der Aufwand für Kommunikation, Koordination oder Datenaustausch. Gleichzeitig entstehen neue Formen von Netzwerkeffekten, bei denen sich der Nutzen für die Nutzerinnen und Nutzer mit wachsender Teilnehmerzahl weiter erhöht. 

Diese Entwicklung bringt jedoch auch Herausforderungen mit sich. Besonders relevant sind Fragen nach der Verantwortung: Wer trägt die Rechenschaft, wenn Entscheidungen durch automatisierte Systeme getroffen werden? Ebenso ist zu klären, wie eine sinnvolle Balance zwischen menschlicher Kontrolle und automatisierten Abläufen aussehen kann. 

Plattformbetreiber stehen daher vor der Aufgabe, diese Technologien gezielt und verantwortungsvoll zu gestalten und einzusetzen. Ziel ist es, die Effizienz und den Nutzen der Plattform zu steigern – ohne dabei die Qualität der Steuerung (Governance) oder das Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer zu gefährden. 

2. Demokratisierung 

Der Zugang zu digitalen Plattformen wird immer einfacher. Auch Menschen ohne spezielles Fachwissen können sich heute an der Wertschöpfung beteiligen – zum Beispiel durch das Erstellen von Inhalten, das Anbieten von Dienstleistungen oder durch das Teilen von Wissen. Diese breite Beteiligung stärkt die Netzwerkeffekte, weil mehr unterschiedliche Beiträge entstehen und neue Formen von Wert geschaffen werden, die früher Fachleuten vorbehalten waren. Gleichzeitig entstehen dadurch neue Herausforderungen für die Plattformbetreiber. Sie müssen dafür sorgen, dass die Qualität der Beiträge gesichert bleibt, dass Inhalte echt und verlässlich sind und dass die wirtschaftlichen Interessen professioneller Anbieter nicht negativ beeinflusst werden. Dieser Wandel verlangt also nach neuen Strategien in der Plattformsteuerung, um Offenheit und Qualität miteinander zu verbinden. 

3. Hyper-Personalization 

Wenn Plattformen personalisierte Inhalte und Angebote bereitstellen, steigert das ihren Wert. Der Nutzen der Plattform wächst dann nicht nur, weil mehr Menschen sie nutzen, sondern auch, weil die Inhalte besser auf die einzelnen Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten sind. Diese personalisierte Anpassung führt zu stärkeren Netzwerkeffekten. Möglich wird das vor allem durch intelligente Automatisierung. Sie kann grosse Mengen an unstrukturierten Daten – wie Texte, Bilder oder Nutzerverhalten – analysieren und daraus passende, kontextbezogene Antworten oder Empfehlungen ableiten. Dadurch werden bisher passive oder wenig genutzte Schnittstellen der Plattform zu aktiven, dynamischen Kontaktpunkten zwischen Nutzer und System. Gleichzeitig sorgt die wachsende und vielfältigere Nutzerbasis – etwa durch niedrigere Zugangshürden und breitere Beteiligung – dafür, dass eine differenzierte, also individuell angepasste Personalisierung immer wichtiger wird. Plattformbetreiber müssen also zunehmend Systeme entwickeln, die nicht nur skalieren, sondern auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse und Kontexte der Nutzerinnen und Nutzer eingehen können. 

4. Kollaborative Innovation

Plattforminnovationen verändern sich: Früher standen vor allem Menschen im Mittelpunkt der Entwicklung neuer Ideen und Angebote. Heute wird generative Künstliche Intelligenz (GenAI) zunehmend zu einem aktiven Mitgestalter. In einem ständigen Austausch zwischen menschlichen Eingaben und KI-generierten Vorschlägen entstehen neue, kreative Ergebnisse. Diese Zusammenarbeit – also die Rückkopplung zwischen Mensch und KI – kann zu Lösungen führen, die weder der Mensch noch die KI allein erreichen könnten. Das zeigt: Die grösste Veränderung durch KI liegt nicht darin, Menschen auf Plattformen zu ersetzen. Viel wichtiger ist das Potenzial, durch die Kombination von menschlicher Kreativität und KI-Technologie ganz neue Formen der Zusammenarbeit zu ermöglichen. Damit diese Zusammenarbeit erfolgreich funktioniert, braucht es jedoch geeignete Strukturen. Es müssen Systeme entwickelt werden, die diese gemeinsame Gestaltung – auch „Ko-Kreation“ genannt – unterstützen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass Menschen dabei weiterhin Entscheidungsfreiheit und kreativen Spielraum behalten. 

Fazit

Die rasante Entwicklung generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI) markiert einen Wendepunkt für digitale Plattformen. GenAI verändert nicht nur, wie Menschen mit Technik interagieren – sie beeinflusst auch, wie Unternehmen zusammenarbeiten, wie Inhalte personalisiert werden und wie neue Ideen entstehen. 

Dabei geht es längst nicht nur um die Automatisierung von Aufgaben. GenAI verändert die Rollen von Nutzern und Anbietern, schafft neue Formen der Zusammenarbeit und stellt die Regeln für digitale Plattformen infrage. Auch die Art, wie Menschen auf KI-generierte Inhalte reagieren und wie Plattformen Inhalte kontrollieren, verändert sich grundlegend. 

Diese Entwicklungen werfen wichtige Fragen auf: Wie gehen wir verantwortungsvoll mit dieser Technik um? Wie sorgen wir für Fairness, Transparenz und gesellschaftlichen Nutzen? Die Auseinandersetzung mit GenAI ist keine rein technische Aufgabe – sie betrifft uns alle. 

Es braucht weiterhin neue Perspektiven, kluge Ideen und eine kritische, zugleich zukunftsgerichtete Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten und Grenzen dieser Technologie. Nur so können wir GenAI als Werkzeug für eine bessere digitale Zukunft gestalten. 

Mehr erfahren