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Wechseljahre: Weichen stellen für die zweite Lebenshälfte

16.10.2025 Die Wechseljahre sind eine zentrale Lebensphase, die mit bedeutenden gesundheitlichen Veränderungen verbunden ist. Personzentrierte Ernährungsberatung kann wesentlich zur Prävention und zur Stabilisierung der Lebensqualität beitragen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wechseljahre sind eine prägende Lebensphase mit umfassenden gesundheitlichen Veränderungen, deren Bedeutung oft unterschätzt wird.

  • Personzentrierte Ernährungsberatung kann Beschwerden lindern, chronischen Erkrankungen vorbeugen und die Lebensqualität fördern.

  • Gefragt sind interprofessionelle Ansätze, die Ernährung als zentralen Bestandteil ganzheitlicher Gesundheitsförderung integrieren.

Artikel Menopause
Eine optimierte Ernährung gilt zunehmend als Schlüsselfaktor für die Gesundheit von Frauen in den Wechseljahren. Bild: AdobeStock

Die Wechseljahre markieren das Ende der reproduktiven Phase und zugleich den Beginn eines neuen Lebensabschnitts, der heute länger dauert denn je. Frauen in der Schweiz haben mit 50 Jahren eine durchschnittliche Lebenserwartung von weiteren 36,8 Jahren. Rund 40 Prozent ihres Lebens verbringen sie also nach der Menopause. Fast 1,3 Millionen Frauen sind derzeit zwischen 40 und 60 Jahre alt (BFS, 2022), einer Phase, in der körperliche, hormonelle und psychische Veränderungen spürbar werden.
Obwohl diese Phase so prägend ist, wird ihr gesundheitlicher Stellenwert oft unterschätzt, individuell wie gesellschaftlich. Die Menopause ist nicht nur ein biologischer Übergang, sondern ein gesundheitlicher Wendepunkt. Gerade jetzt lassen sich entscheidende Weichen stellen, um chronischen Erkrankungen vorzubeugen und die Lebensqualität langfristig zu sichern.

Ein komplexer Übergang: Körper, Psyche – und die Rolle der Ernährung

Die Herausforderungen betreffen Körper und Geist zugleich. Hormonelle Umstellungen können sich zum Beispiel in Hitzewallungen, Schlafstörungen, Gelenkschmerzen, Stimmungsschwankungen oder Gedächtnisproblemen zeigen. Gleichzeitig verändert sich der Stoffwechsel: Es kann zu einer Gewichtszunahme kommen, insbesondere durch viszerales Fett, die Insulinempfindlichkeit sinkt und das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigt.
Diese Veränderungen gehen oft mit psychosozialen Belastungen einher. Frauen erleben die Phase als biografischen Einschnitt, konfrontiert mit dem Älterwerden, Rollenveränderungen in Familie und Beruf oder Unsicherheiten in der Partnerschaft. Viele stehen zwischen Erwerbs- und Care-Arbeit und finden kaum Zeit für ihr Wohlbefinden. In diesem komplexen Zusammenspiel gewinnt die Ernährung eine besondere Bedeutung. Sie ist physiologisch zentral und eng mit Alltagsstruktur, Selbstfürsorge, Körperbild und sozialen Ressourcen verknüpft. Ernährung in der Menopause ist damit weit mehr als Nährstoffoptimierung.

Begriffe: Wechseljahre und Menopause

Die Wechseljahre bezeichnen die hormonelle Umstellungsphase am Ende der fruchtbaren Lebensphase. Sie umfassen die Perimenopause und die Menopause. Anschliessend folgt die Postmenopause. Die Perimenopause beginnt mit den ersten hormonellen Veränderungen und endet etwa ein Jahr nach der letzten Monatsblutung. Die Menopause bezeichnet die letzte Monatsblutung, die erst rückblickend, das heisst nach mindestens einem Jahr ohne Periode, eindeutig feststellbar ist. Mitteleuropäische Frauen erleben sie im Durchschnitt mit 52 Jahren.

Studien zeigen, dass Frauen auf die körperlichen und psychischen Veränderungen dieser Lebensphase unzureichend vorbereitet sind und eine negative Einstellung gegenüber den Wechseljahren haben (Tariq et al., 2023). Obwohl das Interesse an Lebensstilinterventionen generell vorhanden ist, berichten viele Betroffene, dass sie sich medizinisch und gesellschaftlich nicht ernst genommen fühlen – auch in Ernährungsfragen. Eine qualitative Master-Arbeit, in der Frauen aus der Deutschschweiz und dem Tessin auch zu ihren Informationsquellen befragt wurden, sowie ergänzende Workshops der Berner Fachhochschule mit Frauen in der Menopause machen deutlich, wie wenig Ernährung im medizinischen Setting thematisiert wird. Eine Teilnehmerin schilderte: «Ich habe das Thema Wechseljahre angesprochen. Die Gynäkologin hat nur gesagt: ‹Im Wartesaal hat es eine Broschüre›. Und in dieser Broschüre stand nichts über Ernährung.» Gerade in diesem Bereich bleiben viele Fragen offen: Welche Ernährungsempfehlungen sind evidenzbasiert? Was muss ich beachten? Wie lässt sich das im Alltag umsetzen? Die bisherige Forschung liefert darauf erst ansatzweise Antworten.

Was Ernährungsberatung leisten kann – und sollte

Eine fundierte, personzentrierte Ernährungsberatung könnte entscheidend unterstützen. In vielen Aus- und Weiterbildungen von Gesundheitsfachpersonen sind die Wechseljahre jedoch kaum ein Thema. Gynäkologische Betreuung fokussiert häufig auf Symptome oder Hormontherapie. Ernährungsberatung und andere Lebensstilinterventionen werden selten angeboten, obwohl hier viel Potenzial besteht.
Dabei gilt eine optimierte Ernährung zunehmend als Schlüsselfaktor für die Gesundheit von Frauen in den Wechseljahren. Besonders eine überwiegend pflanzenbasierte Ernährung kann metabolische Veränderungen günstig beeinflussen, oxidativen Stress, Entzündungen und Insulinresistenz reduzieren (Silva et al., 2021). Eine systematische Übersichtsarbeit zur Mediterranen Diät zeigt, dass ihre Einhaltung sich in der Menopause positiv auswirken kann – unter anderem auf Körpergewicht, Blutdruck und Blutlipide (Gonçalves et al., 2024).  

In dieser Lebensphase kann es – unabhängig von einem gewollten Gewichtsverlust – zu einer Abnahme der Muskelmasse kommen. Deshalb sollten Körperzusammensetzung und Proteinzufuhr mehr Beachtung geschenkt werden. Dies auch mit Blick auf Sarkopenie, den Verlust von Muskelmasse, -kraft und -funktion mit zunehmendem Alter. Darüber hinaus sind Frauen über 50 Jahre häufig unzufrieden mit Gewicht und Figur, insbesondere im Vergleich mit ihrem jüngeren Ich oder gesellschaftlichen Altersbildern. Das macht sie anfälliger für die Entwicklung von Essstörungen (Drobnjak et al., 2014).

Interprofessionell und personzentriert denken

Um Frauen in den Wechseljahren  wirksam zu unterstützen, braucht es mehr als allgemeine Ernährungstipps. Gefragt sind Ernährungsberater*innen und andere Fachpersonen , die sie kontextsensibel begleiten. Ein personzentrierter Ansatz sollte über rein biologische Aspekte hinausgehen. Es braucht interprofessionelle Angebote, die Ernährung mit anderen gesundheitsfördernden Ansätzen verbinden, wie etwa die Mind-Body-Medizin, ein Gesundheitskonzept, das den Menschen ganzheitlich sieht und Körper und Psyche in Balance bringt. Solche Konzepte ermöglichen es, individuell passende Wege zu stärken. 
Ernährung in der Menopause ist kein Lifestyle-Thema, sondern ein unterschätzter Hebel für Prävention und Lebensqualität. Sie verdient mehr Platz in der Beratungspraxis, aber auch in der Forschung und der gesundheitspolitischen Diskussion.

Personzentrierte Gesundheitsversorgung – Vision oder Realität?

Personzentrierte Versorgung stellt die individuellen Bedürfnisse, Werte und Lebensumstände der Patient*innen ins Zentrum medizinischer Entscheidungen. Sie gilt als Schlüssel zu einer menschlicheren, wirksameren und nachhaltigeren Gesundheitsversorgung, doch der Weg dorthin ist komplex. Zwischen Idealbild und Alltagspraxis gilt es, Chancen und Hürden realistisch abzuwägen: Wie lassen sich Strukturen, Abläufe und Haltungen verändern, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen? Unsere Beiträge zeigen anhand konkreter Projekte, wo dies bereits gelingt, welche Stolpersteine es noch zu überwinden gilt und welche Schritte nötig sind, um Person-centered Care im Gesundheitswesen zu verankern.

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