• Story

Personzentrierte Lehre – Auf dem Weg zur Befähigung

15.10.2025 Personzentrierte Lehre rückt Studierende und Lehrende als ganze Menschen in den Mittelpunkt. Aufbauend auf der Theorie der personzentrierten Praxis wird Lernen und Lehren zu einem gemeinsamen Prozess, der fordert, unterstützt und weiterentwickelt – von der Ausbildung bis in die Pflegepraxis.

Das Wichtigste in Kürze

  • Personzentrierte Lehre überträgt die Werte der Pflegepraxis auf die Ausbildung – mit Fokus auf Menschlichkeit und gemeinsames Lernen.

  • Sie verbindet hohe Anforderungen mit starker Unterstützung und fördert Reflexion sowie Lernen auf Augenhöhe.

  • Ein Erasmus+-Projekt mit der BFH entwickelt dazu ein Kompetenzmodell und Toolkit für Lehrende.

Personzentrierte Lehre
Personzentrierte Lehre stellt den Menschen ins Zentrum – Studierende und Lehrende. (Foto: BFH)

Die Theorie zur personzentrierten Praxis beschreibt, wie Menschen im Gesundheitswesen so miteinander umgehen können, dass alle Beteiligten als Personen gesehen und ernst genommen werden – egal, ob Patient*innen, Angehörige oder Fachleute. Sie wurde besonders von den Pflegewissenschaftler*innen Tanya McCance und Brendan McCormack über mehrere Jahre evidenzbasiert entwickelt. Der Fokus lag dabei auf der klinischen Pflegepraxis in unterschiedlichsten Settings. Dies wurde bereits mehrfach in der Praxis erprobt und integriert. In der Schweiz hat dies vornehmlich in Akutspitälern stattgefunden und fängt jetzt an, auch im Langzeitbereich Fuss zu fassen.

Weil eine professionelle Haltung und das Pflegeverständnis schon während der Ausbildung entstehen, ist es naheliegend, die Prinzipien der Personzentriertheit auch in der Lehre zu verankern. Darum haben McCance und McCormack zusammen mit Kolleg*innen die Basis für ein personzentriertes Curriculum bei der Aus- und Weiterbildung von Gesundheitsfachpersonen geschaffen (Cook et al., 2022). Eine personzentrierte Ausbildung vermittelt nicht nur Inhalte zur entsprechenden Praxis, sondern soll diese Haltung auch im Umgang mit den Studierenden leben. Die personzentrierte Haltung der Lehrperson soll Studierende befähigen, in ihrem individuellen Lernprozess möglichst barrierefrei voranzukommen. Besonders in einer Lehre, die auf dem konstruktivistischen Ansatz basiert – also Lernen als aktiven Prozess durch die Studierenden versteht –, passt die Theorie der personzentrierten Praxis. Sie unterstützt Lehrende und Studierende dabei, gemeinsam reflexiv und inklusiv zu arbeiten.

Personzentrierte Lehre – Wie zeigt sich das?

Personzentrierte Lehre schliesst die Lehrperson mit ein. Damit begibt sie sich auf einen spannenden Weg der kontinuierlichen Weiterentwicklung – sowohl in ihren fachlichen Fähigkeiten als Lehrende als auch in ihren zwischenmenschlichen Kompetenzen. Das bedeutet, die Lehrperson muss ihr Verhalten und ihre Tätigkeit laufend reflektieren, und zwar für sich und auch im Austausch mit ihren Studierenden. Sie muss lernen, auf Augenhöhe zu kommunizieren, befähigend zu vermitteln, authentisch und kompetent zu sein und dabei sich und die Studierenden als ganze Menschen wahrzunehmen. Damit wird sie nahbar, kann als Person wahrgenommen werden und wird zugleich zu einem Vorbild.

Im Unterricht zeigt sich personzentrierte Lehre in der Art und Weise, wie Inhalte vermittelt werden. Dafür gibt es Methoden und Instrumente (siehe Grafik), die sich besonders eignen. Ziel ist es, Studierende in ihrem individuellen Lernen optimal zu fördern – sowohl im Präsenz- als auch im asynchronen Online-Unterricht. Gerade dieser kann so gestaltet sein, dass personzentrierte individuelle Fragestellungen und Aufträge an die Studierenden gestellt werden können. Weiter zeigt sich ein solcher Unterricht in kreativen Elementen, beispielsweise basierend auf «Critical Creativity» (McCormack & Titchen, 2006). Dieser Lernansatz basiert auf der Idee, Kreativität mit kritischem Denken zu verbinden und so Neues auszuprobieren, aber immer kritisch reflektiert und hinterfragt.

Reflektive Anregungen für eine personzentrierte Lehre

High Challenge – High Support

Ein Grundsatz der personzentrierten Praxis und Lehre besteht darin, hohe Anforderungen an die Person zu stellen und gleichzeitig die notwendige Unterstützung bereitzustellen. Ziel ist es nicht, Belastungen zu vermeiden, sondern herauszufordern – und diese Herausforderungen mit einem hohen Mass an Begleitung abzufedern. Studierende wie auch Lehrende benötigen ein gesundes Mass an Herausforderung und damit auch eine ausgewogene Belastung, um im Gleichgewicht zu bleiben und ihre Gesundheit zu erhalten. Dieses Gleichgewicht zwischen Forderung und Unterstützung zu finden, kann als die hohe Schule der personzentrierten Lehre angesehen werden. Dann sind die Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen und Lehren gegeben.

Was personzentrierte Lehre benötigt

In einem aktuellen dreijährigen Erasmus+-Forschungsprojekt geht auch die Berner Fachhochschule dieser Frage nach. Zusammen mit anderen Fachhochschulen aus Österreich, Deutschland und Italien wird ein Kompetenzmodell für personzentrierte Lehre entwickelt, mit dem Ziel, personzentrierte Haltung bei Lehrperson und Studierenden gleichermassen zu entwickeln und zu fördern.

Im Rahmen eines spannenden qualitativen Designs wird anhand von Pflegegeschichten, Fokusgruppeninterviews und Workshops ein Toolkit mit Methoden und Instrumenten erarbeitet, das Lehrenden in der Praxis zur Verfügung gestellt werden soll. Gleichzeitig wird der Frage nachgegangen, wie personzentrierte Praxisentwicklung in der Lehre aussehen könnte. Denn wie in der klinischen Pflegepraxis ist personzentrierte Lehre ein kontinuierlicher Kulturentwicklungsprozess.

Personzentrierte Gesundheitsversorgung – Vision oder Realität?

Personzentrierte Versorgung stellt die individuellen Bedürfnisse, Werte und Lebensumstände der Patient*innen ins Zentrum medizinischer Entscheidungen. Sie gilt als Schlüssel zu einer menschlicheren, wirksameren und nachhaltigeren Gesundheitsversorgung, doch der Weg dorthin ist komplex. Zwischen Idealbild und Alltagspraxis gilt es, Chancen und Hürden realistisch abzuwägen: Wie lassen sich Strukturen, Abläufe und Haltungen verändern, um diese Vision Wirklichkeit werden zu lassen? Unsere Beiträge zeigen anhand konkreter Projekte, wo dies bereits gelingt, welche Stolpersteine es noch zu überwinden gilt und welche Schritte nötig sind, um Person-centered Care im Gesundheitswesen zu verankern.

Mehr erfahren