Pflegebedarfsabklärung für die Kinder-Spitex

Die Kinder-Spitex nutzt verschiedene Instrumente zur Pflegeabklärung. Dieses Projekt passt das interRAI PEDS-HC und interRAI Early Years an, um eine einheitliche und transparente Grundlage für die Versorgung zu schaffen.

Steckbrief

Ausgangslage

Die Bedarfsabklärung der Pflege in der Kinderspitex erfolgt derzeit mit verschiedenen, teils unstrukturierten Instrumenten. Spitex Schweiz verfolgt daher das Ziel, ein einheitliches und strukturiertes Bedarfsabklärungsinstrument für alle Altersgruppen einzuführen, um die Situation der Kinder und ihrer Familien standardisiert und transparent zu erfassen. Das interRAI Pediatric Home Care (PEDS-HC) für Kinder und Jugendliche im Alter von 4-18 Jahren sowie das interRAI Early Years (EY) für Kinder im Alter von 0-3 Jahren gehören zur interRAI-Instrumentenfamilie, die im Bereich der Erwachsenen-Spitex in der Schweiz bereits etabliert ist. In der Kinderspitex wurden die beiden Instrumente bislang jedoch noch nicht eingesetzt. Da sie ursprünglich nur in englischer Sprache vorlagen, wurden sie von Spitex Schweiz ins Deutsche übersetzt. Ein Pilotprojekt der Berner Fachhochschule im Jahr 2023 zeigte, dass das PEDS-HC grundsätzlich für die Kinderspitex geeignet ist, jedoch Anpassungen erforderlich sind, um den kulturellen Gegebenheiten in der Schweiz und altersspezifischen Anforderungen gerecht zu werden. Das EY kam im hier beschriebenen Folgeprojekt erstmals zur Anwendung.

Vorgehen

Dieses Folgeprojekt bereitete die beiden Bedarfsabklärungsinstrumente PEDS-HC und EY für den Einsatz in Schweizer Kinderspitexorganisationen auf. Beide Instrumente wurden fachlich mit Expertinnen der Kinderspitex vervollständigt und Gelingensbedingungen für eine erfolgreiche Anwendung und Implementierung geklärt.

Ergebnisse

Vier Fachexpertinnen aus Schweizer Kinderspitexorganisationen brachten ihre Praxiserfahrung in die Überarbeitung der Instrumente PEDS-HC und EY ein. Es zeigte sich, dass beide mit entsprechenden Überarbeitungen grundsätzlich geeignet sind, um den Pflegebedarf systematisch zu erfassen. Besonders bei der Verständlichkeit einzelner Items, der Vollständigkeit der Inhalte und der praktischen Anwendbarkeit gab es Verbesserungspotenzial. Beim bereits im Pilotprojekt getesteten PEDS-HC wurden die insgesamt 20 Themenbereiche erneut systematisch geprüft und adaptiert. Zwei Bereiche wurden unverändert übernommen, drei sprachlich und kulturell angepasst. In fünf Bereichen erfolgten moderate Ergänzungen, in zehn umfassende Überarbeitungen – u. a. durch die Aufnahme praxisrelevanter Themen wie Atmung und Herzinsuffizienz. Diese Erweiterungen orientierten sich stark an der praktischen Anwendbarkeit und den Bedürfnissen der Pflegenden im Alltag. Das EY wurde erstmals auf seine Anwendbarkeit für Bedarfsabklärungen in der Schweizer Kinderspitex geprüft. Die Fachexpertinnen stuften seine Eignung als unzureichend ein, da zentrale somatische Themen nicht ausreichend abgedeckt waren. Auch die starke Gewichtung psychischer Aspekte wurde kritisch hinterfragt. Aus Sicht der Fachexpertinnen braucht es für diese Altersgruppe ein angepasstes Instrument, das ihre Einschätzungen und Beobachtungen besser erfasst. Spitex Schweiz plant deshalb, das EY im Rahmen eines Folgeprojekts weiterzuentwickeln.

Ausblick

Für eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis formulierten die Fachexpertinnen klare Anforderungen: Die Digitalisierung der Instrumente sollte benutzerfreundlich gestaltet sein, etwa durch Drop-down-Menüs, automatische Berechnungen und integrierte Skalen (z.B. PaPaS-Scale). Auch die Möglichkeit, bei wiederholten Bedarfsabklärungen gleichbleibende Daten übernehmen zu können sowie standardisierte Freitextfelder und ein direkter Handbuchzugriff wurden als wichtige Erleichterungen benannt. Zudem wünschen sich die Fachexpertinnen eine stärkere Verknüpfung mit bestehenden Systemen, etwa durch eine Schnittstelle zum IV-Fragebogen, um Doppelerfassungen zu vermeiden. Die fehlende Unterstützung bei der Pflegediagnostik wurde kritisch angemerkt. Aktuell fehlen Clinical Assessment Protocols (CAPs), die in anderen interRAI-Instrumenten zur Interpretation und Ableitung von Massnahmen dienen. Die Teilnehmenden sprechen sich für eine erneute Praxiserprobung sowie begleitende Schulungen aus, um die Instrumente optimal in bestehende Abläufe zu integrieren. Die kurz vor Projektabschluss angekündigte neue internationale Version des PEDS-HC mit CAPs wird als Chance gesehen, um die fachliche Tiefe und den Nutzen im Pflegealltag weiter zu steigern. Insgesamt zeigt das Projekt, dass die interRAI-Instrumente mit gezielten Anpassungen, praxisnaher Erweiterung und benutzerfreundlicher Digitalisierung wesentlich zur Qualität und Transparenz der Bedarfsabklärung in der Kinderspitex beitragen können.

Dieses Projekt leistet einen Beitrag zu den folgenden SDGs

  • 3: Gesundheit und Wohlergehen