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Café «Be-MORE»: Ein geschützter Ort für geflüchtete Frauen

29.09.2025 Mit dem Pilotprojekt Café «Be-MORE» schafft der Fachbereich Geburtshilfe der Berner Fachhochschule (BFH) einen Raum, wo geflüchtete Frauen Zugang zu Informationen und Unterstützung rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit erhalten. Dabei greifen Forschung, Lehre und Praxis ineinander mit dem Ziel, langfristig mehr Chancengerechtigkeit im Zugang zur Gesundheitsversorgung zu schaffen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Café «Be-MORE» bietet geflüchteten Frauen einen geschützten Raum für Fragen rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit.

  • Studierende des Bachelor-Studiengangs Hebamme gewinnen Praxiserfahrung, während neue Erkenntnisse zurück in Ausbildung und Forschung fliessen.

  • Das Projekt fördert Selbstbestimmung, verbessert die Versorgungschancen und soll als Modell auch in anderen Regionen umgesetzt werden.

In einer fremden Stadt, fernab der Heimat und mehrheitlich ohne Kenntnisse der hiesigen Sprachen, stossen viele geflüchtete Frauen im Zugang zur Gesundheitsversorgung auf Barrieren. Das Pilotprojekt Café «Be-MORE» der BFH will das ändern. Geplant ist ein Raum innerhalb der Kollektivunterkunft Tiefenau der Stadt Bern, in dem Frauen niederschwellig ihre Bedürfnisse und Fragen rund um sexuelle und reproduktive Gesundheit thematisieren können. 

Visual Café Be More

Warum das Thema so wichtig ist

Geflüchtete Frauen gehören zu den am stärksten gefährdeten Gruppen in unserer Gesellschaft, wenn es um das Thema sexuelle und reproduktive Gesundheit geht. Bereits auf den Fluchtrouten fehlt es mehrheitlich an Zugang zu medizinischer Grundversorgung. In der Schweiz angekommen, wird der Zugang aufgrund von Sprachbarrieren und bürokratischen Hürden erschwert. «Be-MORE» setzt genau hier an: Ein niederschwelliger, vertraulicher Ort vor Ort soll es den Frauen ermöglichen, Informationen zu erhalten, Vertrauen aufzubauen, damit sie sich orientieren und Zugang zu Fachstellen finden können. 
 

Wie das Café funktioniert

Das Café «Be-MORE» in der Kollektivunterkunft Tiefenau öffnet ab November 2025 zweimal in der Woche für drei Stunden seine Türen. Frauen können ohne Anmeldung kommen, um Fragen zu stellen, einen Workshop zu besuchen oder einfach mal bei einem Getränk zu verweilen. Die Inhalte orientieren sich an den Bedürfnissen der Besucherinnen. Mögliche Themenfelder sind Verhütung und Schwangerschaft bis hin zu Fragen rund um sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt oder perinataler psychischer Gesundheit. Mithilfe von Übersetzungs-Apps, Telefoninterpretern oder professionellen Dolmetscherinnen wird versucht, Sprachbarrieren zu überwinden. 

Vor Ort sind jeweils zwei Hebammen der BFH mit Praxisbezug, die durch ihre regelmässige Präsenz Vertrauen schaffen sollen. Workshops sowie digitale Tools wie das «migrant birth kit» als auch mehrsprachige Informationsmaterialien in Wort und Bild ergänzen das Angebot. Ein mehrstufiges Übersetzungskonzept stellt sicher, dass die Kommunikation auch in verschiedenen Sprachen möglich wird.
 

Lernen zwischen Studium und Kollektivunterkunft

Ein wichtiger Baustein für das Café sind die Studierenden des Bachelor-Studiengangs Hebamme. Im bereits bestehenden Online-Kurs «refugee kit»  als Wahlmodul können sie sich theoretisch mit sexueller und reproduktiver Gesundheit im Fluchtkontext auseinandersetzen. Durch ein Praktikumsplatz im Café «Be-MORE» besteht zusätzlich die Möglichkeit für den Einblick in die Praxis vor Ort. So entsteht ein Kreislauf: Die Forschung liefert Erkenntnisse, die in die Lehre und Ausbildung einfliessen. Das Wissen und die Erfahrung aus der fliessen wiederum zurück in die Forschung. 

Hintergrundinformationen zu den Initiatinnen des Projekts

Die Initiantinnen des Projets

Entwickelt wurde die Idee des Café «Be-MORE» aus den Ergebnissen des Forschungsprojektes REFPER. Die Initiantinnen des Projekts Be-MORE  Sylvie Genier, Katharina Tritten Schwarz und Milena Wegelin beziehen sich auf die vielseitigen Forschungsarbeiten und fachlichen Expertisen im Bereich Flucht und Migration im Fachbereich Geburtshilfe und möchten  diese direkt in die Praxis umsetzen. In internen Spiegelungen und Workshops haben Paola Origlia sowie andere BFH-interne und externe Expertinnen mit ihrem Beitrag im Kontext von Migration dem Projekt eine konzeptionelle Basis gelegt. Daraus ist das Projekt Be-MORE entstanden, welches Praxis, Lehre und Forschung vereint.  

Ziele des Projekts

Das Projekt verfolgt mehre Ziele: Zum einen will es Wissen vermitteln, zum anderen die Wahrnehmung von Gesundheitsthemen stärken. Die Frauen lernen, ihre Bedürfnisse zu erkennen und sie offen anzusprechen. Im Austausch mit Fachpersonen gewinnen sie Orientierung und Vertrauen. Mittelfristig entsteht so ein neues Verhalten. Sie nutzen den Raum aktiv und greifen nutzen sukzessive selbstbewusster die bestehenden Angebote und sprechen darüber. Langfristig soll das Projekt dazu beitragen, Strukturen zu verändern. Betreuungspersonen und vor Ort tätige Fachpersonen bauen ihr Fachwissen zu sexueller und reproduktiver Gesundheit aus, die Vernetzung zwischen Akteur*innen im Gesundheitswesen wird enger und die Triage zu passenden Fachstellen verbessert sich. Gleichzeitig trägt das Café dazu bei, dass sexuelle und reproduktive Gesundheit im Asylkontext enttabuisiert wird. Damit entstehen nicht nur bessere Versorgungschancen für diese Frauen, sondern auch eine Entlastung des Gesundheitssystems durch frühzeitige Unterstützung. 
 

«Be-MORE» als Grundlage für andere Institutionen und Regionen

Die nächsten 18 Monate dienen dazu, Erfahrungen zu sammeln, Wirkung zu messen und das Modell weiterzuentwickeln. Die Erkenntnisse sollen später auch anderen Institutionen als Grundlage dienen, damit ein ähnliches Angebot auch in anderen Kantonen umgesetzt werden könnte. Die Vision: ein nachhaltiges Angebot, das geflüchteten Frauen mehr Chancengerechtigkeit verschafft und auch Studierenden ermöglicht, ihr Know-How in diesem herausfordernden gesundheitspolitischen Kontext zu vertiefen. «Be-MORE» zeigt exemplarisch, wie Hochschule und regionale Gesundheitsversorgung Hand in Hand voneinander profitieren können: Forschung wird praktisch, Lehre lebensweltnah, und Praxis integrativ. 
 

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