• Bachelor of Science in Mikrotechnik

Porträt Aymeric Niederhauser

Aymeric Niederhauser ist professioneller Erfinder beim Bieler Innovationsunternehmen Creaholic SA. Der Mikro- und Medizintechnik-Ingenieur fasziniert es, wie er zusammen mit einem interdisziplinären Team täglich auf erstaunliche Lösungen stösst. Im Interview gibt er einen Einblick zu den Erfolgsfaktoren von Innovationen.

Aymeric Niederhauser

Was hast du an der BFH studiert? Wann hast du dein Studium abgeschlossen?
Mikro- & Medizintechnik (mit folgenden Vertiefungen: Robotik, Mechatronik & Medizintechnik) 2006 -2009

Was hast du aus dem Studium an der BFH mitgenommen? Wie kannst du das Gelernte in den Arbeitsalltag einbringen?
Mein Studium ist ja schon einige Zeit her, aber mir sind viele gute Erinnerungen geblieben. Teamarbeit war schon damals sehr wichtig für mich. Ich habe Gruppenarbeiten sehr geschätzt, da ich von meinen Mitstudierenden lernen konnte und es meist motivierender war Hausaufgaben gemeinsam zu lösen. Ausserdem fand ich die unterschiedlichen Abteilungen an der BFH-TI in Biel/Bienne sehr inspirierend - vor allem als ich, während meinem Masterstudium an der UniBe, im Biomedical Engineering Labor an der BFH-TI gearbeitet habe. Ich hatte an der BFH unkomplizierten Zugang zu sehr breitem Wissen, da ich einfach Kontakt zu Elektronik-, Optik-, Mathematik-, Wirtschafts-, Sensorik- Material- und weiteren Spezialisten knüpfen konnte. Davon habe ich in Projekten oft profitieren können.

Was hat dir rückblickend während deiner Studienzeit an der BFH gefehlt?
Ich hätte mir mehr Zeit und Möglichkeiten für Austausch gewünscht. Sei es zwischen Studierenden aus diversen Abteilungen, aber auch mit Professoren und deren Abteilungen. Das hat sich ausgeprägter gezeigt als ich an der BFH gearbeitet habe. Man wusste nicht immer welche Kompetenzen die anderen Mitarbeitenden im Zimmer oder Labor nebenan hatten, so entstanden teilweise leider Doppelspurigkeiten. Es gab Ansätze von Professorinnen, Professoren und Mitarbeitenden, die versuchten mehr Synergien zu erzeugen und es gab auch ein paar sehr gute Ansätze. Für mich hätte es hier aber noch viel Potential. Es ist eine grundlegende (vielleicht auch politische) Frage wie das Studium an Unis und an Fachhochschulen gestaltet wird, und hier gibt es eigentlich viel Spielraum für Innovation. Es geht nicht um ein spezielles Programm oder eine Veranstaltung, sondern vielmehr um eine grundlegende innovationsfördernde kulturelle Einstellung. Ausserdem hätte ich mir nachträglich gewünscht während dem Studium (mehr) konkrete Projekte mit der Industrie umsetzen zu können (ev. auch in Form von kurzen Praktika).

Du arbeitest beim Innovationsunternehmen Creaholic SA in Biel. Was sind deine Hauptaufgaben?
Als professioneller Erfinder arbeite ich mit Unternehmen an Innovationsprojekten, indem ich mein breites Know-How und die langjährige Erfahrung aus unterschiedlichen Branchen und Bereichen miteinbringe. Mein Erfindertrieb begann schon früh: Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und hatte damals die grosse Freiheit mit Holz und Eisen zum Beispiel Baumhäuser und Seifenkisten zu basteln. Einmal wollte ich sogar mit Dosen und anderen Metallgegenständen einen Verbrennungsmotor bauen! Durch meine Lehre als Automechaniker, meinem Studium an der BFH, meinem Masterstudium "Biomedical Engineering" an der Medizinischen Fakultät der UniBe und meinem CAS (Certificate of Advanced Studies) in Entrepreneurship kann ich eine ganzheitliche Perspektive einnehmen. Dies hilft mir in meiner Arbeit als Projektleiter in interdisziplinären Teams, um für und mit unseren Kunden neue Konzepte, disruptive Produkte und Services von morgen zu erfinden. Wichtig ist für mich dabei auch, dass man sich selbst, aber auch in Sicht des Unternehmens - hier Creaholic, immer wieder neu in Frage stellt und sich dadurch kontinuierlich weiterentwickelt.

Was fasziniert dich an deinem Beruf/deiner Tätigkeit?
Die immense Vielseitigkeit und Diversität der Projekte. Aber auch die Freiheit und den Spielraum, den man als professioneller Erfinder haben darf. Denn eine gewisse Verrücktheit ist erlaubt, ja schon fast notwendig, damit man sich vom Bestehenden loslösen und sich in die Zukunft projizieren kann. Mich fasziniert wie man jeden Tag auf erstaunliche Lösungen stossen kann, wenn man a) offen für Neues ist und dabei nicht immer alles kontrollieren können muss und b) in interdisziplinären Teams arbeitet (in welchen auch Themenfremde dazu gehören, um von ihrer Naivität und Neugierde zu profitieren). Die schönsten Erfindungen werden nämlich oft "abseits" gemacht.

Creaholic hat einen starken Kontakt zur Berner Fachhochschule - Departement Technik und Informatik. Wie sieht diese Zusammenarbeit aus?
Ja, es arbeiten viele BFH-TI Absolvierende bei der Creaholic. Wir pflegen einen guten Kontakt zu diversen Professoren, sei es durch Bachelorarbeiten, für spezifisches Fachwissen oder, wenn wir eine neue Mitarbeiterin oder neuen Mitarbeiter suchen. Meines Erachtens dürfte die Zusammenarbeit noch intensiver gestaltet werden. Creaholic arbeitet ca. 20% der Zeit auf eigenen Projekten und hat daraus in den letzten 33 Jahren 12 Spin-Offs gegründet. Gerade bei diesen eigenen Inkubationsprojekten sehe ich Potenzial.

Was war auf deiner beruflichen Laufbahn dein prägendstes Ereignis?
Bei Creaholic gibt es viele Beispiele – praktisch jeder Tag ist besonders. Es gibt viele Projekte, über die wir während der Entwicklung nicht sprechen dürfen (z.T. dürfen wir gar nicht sagen für wen wir arbeiten). Hier ein Beispiel: Die Idee eines wassersparenden Duschkopfs hat sich vom Inkubationsprojekt aus der Creaholic bis zum Start-Up "Gjosa" und dann zu einer Partnerschaft mit L'Oréal entwickelt. Ich habe viel unter Vertraulichkeit daran gearbeitet und war oftmals in Paris. Erst als die Partnerschaft vor einigen Monaten veröffentlicht wurde, konnte ich meinem Umkreis sagen wieso und zu wem ich so oft nach Paris ging. Es ist wertschätzend zu sehen was für einen wichtigen Impact jede Minute Arbeit im Schatten rund um diesen Duschkopf schlussendlich hatte.

Es ist auch speziell, wenn ich bei IKEA meinen Kindern sagen kann, "Hey, schaut einmal, die Verbindungstechnologie, die IKEA hier bei diesem Möbel braucht, damit man nichts mehr verschrauben muss, wurde von Creaholic erfunden und entwickelt". Jedes neue Projekt ist so spannend, weil es eine neue Ausgangslage, ein neues Ziel und neue Herausforderungen mit sich bringt. Ich staune immer wieder wie sich unsere einzigartige Unternehmenskultur bei Creaholic weiterentwickelt und was für spannende Produkte und Dienstleistungen wir erfinden!

Bist du Mitglied in einer Alumni-Organisation? Was ist für dich ein Mehrwert der Alumni-Arbeit an Hochschulen?
Bei Alumni BFH bin ich seit meinem Abschluss automatisch dabei, Ich muss aber gestehen, dass ich nicht wirklich ein aktives Mitglied bin. Nichtsdestotrotz schätze ich zu wissen, dass ich jederzeit auf ein Netzwerk von Gleichgesinnten zurückgreifen kann.  

Welchen Rat gibst du künftigen und aktuellen Studierenden mit auf den Weg?
Bleibt neugierig Neues zu lernen und schnell Konzepte auszuprobieren. Es ist auch gut, Dinge in Frage zu stellen, denn wir sollten nie etwas weiter so machen nur, weil wir es immer so gemacht haben. Seid offen mit anderen zu arbeiten und von ihnen zu lernen. Dies ermöglicht es Menschen (und auch Unternehmen) sich immer wieder neu zu erfinden und sich so kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Was machst du in deiner Freizeit?
Ich verbringe gerne Zeit mit meiner Familie (bin verheiratet und habe 3 Kinder) - chille mit ihnen zusammen gemütlich zu Hause (dafür muss man aber das zu Hause auch etwas pflegen), oder ich bin sportlich unterwegs beim Segeln auf dem See, Skifahren, Fahrradfahren, Wandern oder Joggen. Dann spiele ich noch Schlagzeug in Bands und höre daher auch gerne Musik.

(Stand des Interviews: Februar 2019)