Erfahrungen adoptierter Menschen of Color aus der Schweiz
Die Pilotstudie untersucht erstmals für die Schweiz, wie adoptierte Menschen of Color das Aufwachsen in ihrer Adoptivfamilie und darüber hinaus erlebt haben.
Steckbrief
- Beteiligte Departemente Soziale Arbeit
- Institut(e) Institut Soziale und kulturelle Vielfalt
- Förderorganisation BFH
- Laufzeit (geplant) 01.02.2024 - 31.07.2025
- Projektleitung Dr. Nadine Gautschi
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Projektmitarbeitende
Sebastian Funke
Prof. Dr. Andrea Abraham
Denise Barriga Rodriguez - Schlüsselwörter Auslandadoption
Ausgangslage
In der Schweiz sind sogenannte «interracial families» eine Ausnahme. Bei internationalen Adoptionen allerdings sind sie auch in der Schweiz die Norm: Diese Familien bestehen meistens aus weissen Adoptiveltern und Adoptivkindern of Color. Für die Adoptivkinder of Color bedeutet dies, dass sie nicht nur innerhalb der Gesellschaft, sondern oft auch in der Familie eine Minderheit sind. Während im internationalen Fachdiskurs zu internationalen Adoptionen «interracial families» breit diskutiert werden, fehlen Beiträge aus der Schweiz. Die Pilotstudie fragt nun danach, wie adoptierte Menschen of Color ihr Aufwachsen in der Schweizer Gesellschaft erlebt haben − einer Gesellschaft die im Umgang mit «race» und Rassismus von Befangenheit und Tabuisierung geprägt ist.
Vorgehen
Um möglichst vielfältige Erfahrungen und Perspektiven einzufangen, werden Einzelinterviews mit adoptierten Menschen of Color geführt. Der Forschungs- und Analyseprozess orientiert sich an der Grounded Theory Methodologie. In der Analyse werden die Interviews vergleichend analysiert und zentrale Themen herausgeschält. Die Erkenntnisse fliessen in den Schweizer Diskurs um internationale Adoptionen ein, und sollen eine Grundlage bieten, um die Adoptionspraxis weiterzuentwickeln.
Ergebnisse
Die Befragten berichten, seit ihrer Kindheit Rassismus zu erleben. Alltagsrassismus zeigte sich in allen Facetten: von verbalen Angriffen, übergriffigen Fragen, Zuschreibungen, Drohungen, Sexualisierungen, körperlichen Übergriffen bis hin zu Racial Profiling. Auch institutioneller Rassismus in Schule und Beruf wurde genannt. In den Adoptivfamilien wurde unterschiedlich mit Race und Rassismus umgegangen. In manchen Familien wurde kaum darüber gesprochen, in anderen ging man offener damit um. Alle Befragten schildern, dass das Ausmass von Rassismus und die Bedeutung der Race-Zugehörigkeit von den Adoptiveltern nicht vollumfänglich erfasst wurden. Dies führte dazu, dass die Adoptivkinder weniger oder gar nicht mehr von rassistischen Erlebnissen erzählten. Als Erwachsene suchten manche das Gespräch mit ihren Adoptiveltern und übernahmen die Rolle, sie über Rassismus aufzuklären. Es kam zu einer Rollenumkehr. Manche Befragte erlebten Gewalt im Elternhaus. Diese wirkte zusätzlich erschwerend, zur gesellschaftlichen Abwertung durch Rassismus kam eine Abwertung durch die Adoptiveltern. Insgesamt zeigt sich, dass Rassismus und der Umgang damit von Betroffenen kontinuierlich emotionale und kognitive Auseinandersetzungen und Anpassungsleistungen erfordern: Umgang mit Scham, Angst, Übergriffen, überlegen von Strategien, um Rassismus zu kontern oder zu vermeiden, aber auch Reflexion und Beziehungsarbeit mit den Adoptiveltern.
Ausblick
Die Befragten betonen: bessere Unterstützung, Sensibilisierung + Vorbereitung der Adoptiveltern ist nötig. Für die Praxis stellen sich Fragen: Inwiefern sind Adoptivfamilien in der Schweiz, die heute Kinder of Color grossziehen, besser unterstützt?