Der Flizzer-Gründer: Kevin Bucher

04.07.2021 Ursprünglich hat Kevin Bucher Maschinentechnik studiert. Heute leitet er sein eigenes Start-up «Flizzer» und verkauft nachhaltige Unterwäsche. Wie es zum Karriereumschwung kam, erzählt er im Interview.

Porträt Kevin Bucher
«Das Studium war eine gute Lebensschule», findet Kevin Bucher.

Sie arbeiten nun in einem anderen Bereich als Sie ursprünglich studiert haben; wie kam es dazu, und wie sieht Ihre aktuelle berufliche Tätigkeit aus?

Meine berufliche Laufbahn war bisher, wie auch mein Leben generell, ein Weg des Ausprobierens und Lernens, der stetigen Weiterentwicklung. Ich hatte nach meinem Abschluss an der Berner Fachhochschule die Möglichkeit, unterschiedliche Rollen auszuprobieren und so auch die Chance, herauszufinden, was mir Freude macht und welche Tätigkeiten mir eher schwerfallen. 

 

Aktuell arbeite ich in einem 80%-Pensum bei der Schweizerischen Post und begleite das Unternehmen in der Rolle als Strategie & Transformations-Experte. Der Aufbau des Start-ups Flizzer nimmt die restliche Zeit in Anspruch, wobei auch oft die Freizeit dafür herhalten muss. 

Was haben Sie aus dem Studium an der BFH mitgenommen? Gibt es etwas, das Ihnen auch noch heute in Ihrem Berufsalltag hilft?

Schwierig zu sagen. Grundsätzlich war das Studium eine gute Lebensschule – ich musste mich im zweiten Studienjahr so richtig durchbeissen. Die methodische Herangehensweise an Aufgaben und das technische Verständnis hilft mir heute noch immer, auch wenn sich seit 2003 im Bereich der Digitalisierung doch einiges verändert hat.

Was hat Ihnen rückblickend während Ihrer Studienzeit an der BFH gefehlt?

Grundsätzlich nichts. Mit dem heutigen Wissen, rund 20 Jahre nach dem Studium, wohl mehr Informationen dazu, was es braucht um selber ein Unternehmen zu gründen und aufzubauen.

Die unzähligen positiven Kund*innen-Feedbacks sind unser Antrieb, um immer weiterzumachen.

Kevin Bucher
Kevin Bucher Gründer von Flizzer

Sie haben das Start-up Flizzer gegründet. Wie kam es zu dieser Idee und zum Entschluss, daraus ein Business zu machen?

Die Idee ist aus der persönlichen Not heraus entstanden. Ich habe mir immer günstige Unterhosen im Multipack gekauft, ohne mich jemals mit dem Material, der Passform oder dem Design so richtig auseinandergesetzt zu haben. Mir ging die Unterhose im wahrsten Sinne des Wortes am Arsch vorbei. Das hat sich dann an einem Abend bei Kerzenschein schlagartig geändert, als mir meine damals neue Freundin eine Standpauke zu meinen Unterhosen gehalten hat – seit dem Abend weiss ich, was der Begriff «Liebestöter» bedeutet. Und da ich auf dem Markt kein Produkt gefunden habe, das nachhaltig produziert ist, eine top Passform hat, bei den Frauen optisch gut ankommt und auch noch bezahlbar ist, habe ich mich auf den Weg gemacht, die Welt mit glücklichen Männerärschen ein klein wenig besser zu machen.

Wie hat sich Flizzer bisher entwickelt?

Flizzer war die ersten paar Jahre ein Hobby auf Sparflamme, weil wir keine finanziellen Mittel hatten, um gross Marketing zu machen oder in die Produktentwicklung zu investieren. Das hat sich nach dem Auftritt bei «Höhle der Löwen Schweiz» und dem Investment von Roland Brack und Anja Graf geändert. Seit der Erstausstrahlung im September 2020 konnten wir die Verkäufe steigern und werden im 2022 eine frische, nachhaltige Damenkollektion auf den Markt bringen. Den Umsatz konnten wir im letzten Jahr verdoppeln, bis im 2024 möchten wir vier 100%-Stellen schaffen können.  

Was waren die grössten Herausforderungen und Erfolge bei der Gründung Ihres Start-ups?

Die grössten Herausforderungen liegen ganz klar im Bereich Fachwissen. Ich bin ohne jegliches Know-how in der Textilbranche oder E-Commerce gestartet und musste mich die ersten Jahre alleine durchbeissen und viel Lehrgeld bezahlen. Heute verfüge ich über ein gutes Netzwerk an Spezialist*innen in den unterschiedlichsten Bereichen, auf die ich zurückgreifen kann. Unser grösster Erfolg ist auf der einen Seite, dass wir ein Produkt am Markt haben, das ein wirkliches Problem löst und dadurch bei den Kund*innen zu grosser Zufriedenheit führt, zum anderen, dass wir dadurch Investor*innen für uns gewinnen konnten, die an uns und Flizzer glauben. Die unzähligen positiven Kund*innen-Feedbacks sind unser Antrieb, um immer weiterzumachen. Und eben, schon bald gehen wir den Frauen an die Wäsche, darauf freuen wir uns sehr. 

Mein Wunsch war stets, mit meiner Arbeit auch etwas bewegen zu können.

Kevin Bucher
Kevin Bucher Gründer von Flizzer

War der Weg in die Selbstständigkeit schon immer Ihr Ziel?

Nein. Mein Wunsch war aber stets, mit meiner Arbeit auch etwas bewegen zu können. Und wo der Weg mit Flizzer hinführen wird und wie lange ich das machen werde, ist mir heute auch noch nicht klar. Der Weg ist das Ziel – und der Weg ist aktuell super spannend und extrem lehrreich. Was die Zukunft bringt, werden wir sehen. Aber solange es Spass macht, bin ich weiterhin mit viel Herzblut am flizzen.

Was schätzen Sie besonders an der Selbstständigkeit? Gibt es Aufgaben, auf welche Sie lieber verzichten würden?

Ich schätzte vor allem den direkt spürbaren Effekt, den ich durch den kurzen Weg zum Kunden erziele. Das ist toll!

Wie sieht der Alltag für Sie bei Flizzer aus?

Als kleines Start-up mit drei Teilzeitmitarbeiter*innen kümmere ich mich primär um die strategischen Themen und die ganze Produktionsplanung und Logistikabläufe. Und da wir mitten im Aufbau stecken, gibt es keinen typischen Flizzer-Alltag. Es kommen laufend neue Herausforderungen auf uns zu, wie die Entwicklung der Damen-Kollektion, was es aber auch so spannend macht.

Was machen Sie als Ausgleich zum viel beschäftigten Job-Alltag? 

Ich bin ein Bewegungsmensch, deshalb bin ich viel draussen unterwegs: zu Fuss, auf dem Renner oder Bike oder mit Freund*innen beim Kicken.

Sind Sie Mitglied in einer Alumni-Organisation?

Nein, bin ich nicht, sorry.

Welchen Rat geben Sie künftigen und aktuellen Studierenden mit auf den Weg?

Learn, build, measure – repeat. Testet eure Ideen mit einfachen Prototypen direkt am Markt und verfolgt eure Träume mit viel Überzeugung und Leidenschaft, wenn ihr merkt, dass andere Menschen eure Ideen auch gut finden.