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Zwischen Schutz und Unsicherheit: Geflüchtete in der Schweiz und Norwegen

19.06.2025 Wie gestaltet sich der Alltag anerkannter Geflüchteter in der Schweiz und in Norwegen? Ein kürzlich abgeschlossenes Forschungsprojekt beleuchtet die Unterschiede und Parallelen. Dabei fällt auf: Geflüchtete in beiden Aufnahmestaaten machen ambivalente Erfahrungen in Bezug auf ihre Sicherheit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Anerkannte Geflüchtete in Norwegen und der Schweiz erleben den rechtlichen Schutz als entscheidende Grundlage, um ihr Leben neu zu gestalten und Zukunftsperspektiven zu entwickeln. 

  • Trotz des Schutzstatus ist der Alltag vieler Geflüchteter weiterhin von Belastungen geprägt, insbesondere durch fordernde Integrationsprogramme wie Sprachkurse und Arbeitsmarktmassnahmen.

  • Um Geflüchteten echte Sicherheit und Teilhabe zu ermöglichen, muss die Anerkennung über den rechtlichen Status hinausgehen und persönliche Erfahrungen, Ziele und Qualifikationen einbeziehen.

Was bedeutet es, als geflüchtete Person in einem europäischen Land anzukommen und durch den Asylstatus rechtlich anerkannt und geschützt zu sein? Wird Asyl zu erlebter Sicherheit? Die Erfahrungen geflüchteter Personen in der Schweiz und in Norwegen zeigen: Rechtliche Anerkennung ist eine zentrale Voraussetzung für empfundene Stabilität und soziale Teilhabe. Dennoch bleibt das alltägliche Leben häufig von Unsicherheiten geprägt.

Zweijährige Forschung

Der vorliegende Beitrag basiert auf einem Forschungsprojekt, das der Schweizerische Nationalfonds (SNF) gefördert hat. Während rund zwei Jahren führten die Autor*innen ethnografische Feldforschung in Norwegen und der Schweiz durch. Im Zentrum standen die Alltagserfahrungen von 22 erwachsenen Personen (davon zehn in der Schweiz und zwölf in Norwegen). Durch wiederholte Begegnungen und teilnehmende Beobachtungen entwickelten sich teils enge Forschungsbeziehungen, die es ermöglichten, vertiefte Einblicke in die Lebensrealitäten und Herausforderungen der Teilnehmenden zu gewinnen. Sie verfügten zum Zeitpunkt der Feldforschung über einen rechtlichen Schutzstatus und wohnten nicht mehr in kollektiven Unterkünften, sondern in Privatwohnungen. Die Teilnehmenden stammten aus unterschiedlichen Herkunftsländern – unter anderem Syrien, Togo, Eritrea, Benin sowie aus der Türkei und dem Iran – und waren entweder allein oder gemeinsam mit Familienangehörigen ins Aufnahmeland gereist. Hinsichtlich ihrer sozioökonomischen und beruflichen Hintergründe sowie ihrer Erfahrungen vor und während der Flucht war die Gruppe sehr divers. Diese Heterogenität wurde im Forschungsprozess nicht nivelliert, um die Flucht- und Aufnahmeerfahrungen zu verstehen.

Eine zentrale Erkenntnis aus unserer Forschung betrifft die Ambivalenz zwischen rechtlichem Schutz und alltagsweltlicher Unsicherheit. Trotz der formalen Garantie von Asyl und wohlfahrtsstaatlicher Unterstützung ist das Leben im Aufnahmeland oft durch anhaltende, teils subtile Unsicherheiten geprägt. Diese betreffen verschiedene Lebensbereiche, zum Beispiel Erwerbstätigkeit und Familie, und wurzeln wesentlich in der Befürchtung, im Aufnahmeland eigene Lebensziele und Zukunftsaussichten aufgeben zu müssen. Besonders deutlich wird dies bei höher qualifizierten Personen, deren individuelle Berufs- und Lebensziele häufig mit institutionellen Integrationsvorgaben kollidieren. Diese Ambivalenz wird im Beitrag anhand der Arbeitsmarktintegration analysiert. Zwei Fallbeispiele veranschaulichen, wie zwischen Schutz, individuellen Erwartungen und Integrationszielen Spannungen entstehen. Zuvor vermitteln wir einen kurzen Überblick über die Aufnahme- und Integrationsregime beider Länder.

 

Literaturhinweise

Die Asyl- und Integrationssysteme in Norwegen und der Schweiz

Norwegens Aufnahme- und Integrationspolitik folgt einem zentralisierten Ansatz, der auf einer nationalen Strategie beruht und auf kommunaler Ebene implementiert wird. Dieser Ansatz ist in eine Gesellschaft eingebettet, die sich als egalitär und multikulturell versteht (Bendixsen et al., 2018) und wird – ähnlich wie in anderen nordischen Staaten – durch einen universalistisch ausgerichteten Wohlfahrtsstaat (Vike, 2018) und ein humanitäres Selbstbild (Tvedt, 2002) gestützt. Die Integrationspolitik ist weitgehend durch eine direkte Koordination zwischen nationalstaatlicher und kommunaler Ebene geprägt. Die mittlere Verwaltungsebene, die sogenannten Fylke (vergleichbar mit Schweizer Kantonen), spielt im Asylwesen eine stark untergeordnete Rolle. So existiert beispielsweise kein gesetzlich festgelegter Verteilschlüssel zur Aufnahme Geflüchteter. Stattdessen richtet die nationale Migrationsbehörde (Integrerings- og mangfoldsdirektoratet) jährlich Anfragen an die Kommunen, wie viele Personen sie aufzunehmen bereit sind. Auch die Finanzierung sowie konkrete Richtlinien zur Integrationspraxis werden unmittelbar zwischen Nationalstaat und Gemeinden auf der Grundlage des 2021 implementierten Gesetzes zur Integration (Integreringsloven) geregelt. Zentrales Instrument der norwegischen Integrationspraxis ist das Introduksjonsprogrammet (IP) – ein verpflichtendes nationales Programm für anerkannte Geflüchtete, das zwar auf kommunaler Ebene ausgestaltet, jedoch landesweit zentral erfasst wird. Es beinhaltet Sprachkurse, arbeitsmarktorientierte Massnahmen sowie eine sozialarbeiterische Begleitung und zielt hauptsächlich darauf ab, Personen möglichst rasch in Beschäftigung oder Ausbildung zu vermitteln. Während der Programmdauer von mindestens zwei Jahren erhalten Teilnehmende Wohnraum und finanzielle Unterstützung, die an Bedingungen wie Anwesenheit und aktive Teilnahme geknüpft ist. Diese Forderung weist auf das grundlegende Integrationsprinzip der «Rechte und Pflichten» (rett og plikt) hin. Es besagt, dass Geflüchtete auf bestimmte Unterstützungsleistungen Anspruch haben, zugleich zur aktiven Mitwirkung an ihrer Integration verpflichtet sind und bei Nicht-Erfüllung sanktioniert werden.

Die Asylpolitik der Schweiz ist in einem konservativen Sozialstaatsmodell eingebettet (Esping-Andersen, 1990), stützt sich aber ebenfalls auf ein humanitäres Selbstverständnis (Schweizerische Eidgenossenschaft, 2023). Ähnlich wie in Norwegen, werden Asylgesuche auch in der Schweiz zentral durch den Bund, nämlich durch das Staatssekretariat für Migration (SEM), bearbeitet. Spätestens mit Abschluss des Asylverfahrens liegt die Verantwortung für die Unterbringung von und die Fürsorge für anerkannte Geflüchtete und vorläufig aufgenommene Personen bei den Kantonen und im weiteren Verlauf bei den Gemeinden. Eine wichtige, und wiederum auf Bundesebene formulierte, Maxime der Schweizer Asylpolitik besteht darin, anerkannte Geflüchtete und vorläufig aufgenommene Personen in Arbeitsmarkt, Bildung und Gesellschaft zu integrieren. Sie sollen dabei unterstützt werden, langfristig für sich selbst aufzukommen und ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Bund und Kantone haben dazu die Integrationsagenda Schweiz (IAS) erarbeitet. Sie umfasst die Förderung von Sprachkenntnissen, das Erlangen einer beruflichen Grundbildung, die erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt sowie die Vertrautheit mit Schweizerischen Lebensgewohnheiten (SEM, 2024).

Konkrete Massnahmen der Integrationsförderung sind auf der Ebene der Kantone verortet und werden in einem «Kantonalen Integrationsprogramm» (KIP) präzisiert. Dieses legt die Schwerpunkte und die entsprechenden Massnahmen auf kantonaler und kommunaler Ebene fest. Hierbei wird auf die Zusammenarbeit mit bestehenden Regelstrukturen gesetzt. Je nach Kanton und Wohnort können sich effektiv zur Verfügung stehende Angebote unterscheiden (SFH, 2025). In der Schweiz ist also das Recht auf Asyl direkt mit der Integrationsagenda verbunden, der eine sozialpolitische Aktivierungslogik im Sinne von «Fördern und Fordern» (Wicker, 2009) zugrunde liegt. Geflüchtete Menschen sollen ihre «Integrationsfähigkeit» unter Beweis zu stellen. Was ihre Arbeitsmarktintegration betrifft, sollen Geflüchtete sich motiviert, eigeninitiativ und leistungsbereit zeigen. Zudem werden sie angehalten, ihre eigenen beruflichen Wünsche an die Erfordernisse des Arbeitsmarktes anzupassen.

Geflüchtete erleben Schutz nicht als eindeutig

Auch wenn Norwegen und die Schweiz unterschiedliche Sozialstaatstypen repräsentieren, basiert die Asylpolitik beider Länder auf ähnlichen Prämissen. Das Ziel, die Integration Geflüchteter zu fördern, ist gesetzlich verankert. Es bildet den Schwerpunkt politischer Massnahmen, die einem positiven Asylentscheid oder einer vorläufigen Aufenthaltsbewilligung folgen. Während in Norwegen durch das IP ein einheitlicher Rahmen für kommunale Massnahmen vorgegeben ist, herrscht in der Schweiz durch die lokale Implementierung der KIP grössere Vielfalt. Unabhängig von diesen Spezifika, sind die Wirkungsziele der Massnahmen ähnlich. Aus unseren Daten geht weiterhin hervor, dass die Alltagserfahrungen Geflüchteter im jeweiligen Aufnahmekontext nicht nur stark durch bestehende Integrationserwartungen geprägt sind, sondern mit Ambivalenzen einhergehen.

Tatsächlich werden Schutz und Sicherheit nicht als eindeutig empfunden. Um diese Ambivalenz und ihre Auswirkungen zu veranschaulichen, beleuchten wir im Folgenden exemplarisch die Erfahrungen im Bereich der Arbeits­marktintegration zweier Forschungsteilnehmender. 

Wir (Geflüchtete) leben von (der) Hoffnung, (…) neu anzufangen. Ich liebe Norwegen sehr. Ich möchte lange hierbleiben (…), aber jetzt muss ich wieder bei null anfangen. Sprache, Ausbildung, (…). Schritt für Schritt. Und das scheint normal zu sein. Ich muss geduldig sein.

  • Eman syrischer Geflüchteter wohnhaft in Oslo, 37 Jahre alt
Amir auf Delivery Tour
Amir wollte in Oslo Wirtschaft studieren, scheiterte jedoch an fehlenden Zertifikaten. Heute arbeitet er als Paketlieferant, um seine Familie im Ausland zu unterstützen.

Anhaltende Ambivalenz zwischen Sicherheit und Unsicherheit

Eman, ein syrischer Staatsbürger, kam über das Resettlement-Programm des UNHCR nach Norwegen. Damals war er 37 Jahre alt. Neun Monate nach seiner Ankunft zeigte er sich optimistisch: «Norwegen gibt mir viele Chancen.» Eman hatte in seiner Heimat ein Studium in Sales Management abgeschlossen und im Bereich Telekommunikation gearbeitet. Sein Ziel war es, in Norwegen beruflich wieder Fuss zu fassen und an seine bisherige Laufbahn anzuknüpfen.

Ein halbes Jahr später wirkte Eman ernüchtert. Zwar wurde ihm durch seinen Sozialarbeiter im Rahmen des IP ein Praktikum im Backoffice eines Elektronikhändlers vermittelt, jedoch war Eman damit nicht zufrieden: «Wir (Geflüchtete) leben von (der) Hoffnung, (…) neu anzufangen. Ich liebe Norwegen sehr. Ich möchte lange hierbleiben (…), aber jetzt muss ich wieder bei null anfangen. Sprache, Ausbildung, (…). Schritt für Schritt. Und das scheint normal zu sein. Ich muss geduldig sein.» Trotz geäusserter Dankbarkeit für den gewährten Schutz mehrten sich Zeichen der Frustration. Das Praktikum entsprach weder seiner Ausbildung noch seiner langjährigen Erfahrung. «Ich kam mit 13 Jahren Berufserfahrung aus meinem Land. […] Ich bin nicht hierhergekommen, um Müll wegzuräumen», betonte Eman. Die zugewiesenen Aufgaben empfand er als abwertend, insbesondere weil ihm weniger Kompetenzen zugestanden wurden als Schülerpraktikant*innen im selben Unternehmen. Nach Abschluss seines Praktikums wurde Eman keine Anstellung, sondern lediglich eine Verlängerung des vom Staat finanzierten Praktikums vorgeschlagen. Dies lehnte er ab – in der Überzeugung, für eine reguläre Anstellung qualifiziert zu sein. 

Arbeitsintegration in Norwegen: Auf Zuversicht folgt Ernüchterung

Nach mehreren erfolglosen Monaten der Arbeitssuche folgte ein weiteres Praktikum, diesmal bei einer IT-Firma, erneut vermittelt durch den zuständigen Sozialarbeiter im Rahmen des IP. Auch hier zeigte sich Eman zunächst zuversichtlich, musste letztlich aber wieder eine Enttäuschung hinnehmen, als dem Praktikum keine Anstellung folgte. «Ich habe all diese Zeit verschwendet. Und jetzt verstehe ich die anderen Geflüchteten, die auch durch diese Praktika deprimiert sind. Die Praktika sind wie ein Kreis, ohne Fortschritt. Man beginnt einfach immer wieder von vorn.» Obwohl ihm ein weiteres Praktikum angeboten wurde, lehnte er dieses ab. Da nun aber das Ende des zweijährigen IPs bevorstand, verspürte Eman zunehmenden Handlungsdruck. Die drohende Abhängigkeit von regulärer Sozialhilfe empfand er als Belastung, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, eine permanente Aufenthaltsbewilligung zu erlangen. Gleichzeitig befürchtete er, dass sein fortschreitendes Alter seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt mindern werde und er letztlich permanent niedrigqualifizierten Tätigkeiten nachgehen müsse.

In Emans Erzählung verdichtet sich die Ambivalenz, die wir in unserem Projekt häufig feststellen konnten: Der rechtlich zugesicherte Schutz bietet Sicherheit vor Verfolgung und Perspektiven auf ein langfristiges Bleiberecht. Gleichzeitig bleibt der Alltag durch strukturelle Unsicherheiten geprägt – beruflicher Stillstand, prekäre Arbeitsbedingungen und das ständige Gefühl, unter Wert eingesetzt zu werden. Sicherheit und Unsicherheit sind in Emans Alltag untrennbar miteinander verwoben.

Schweiz: Türkisches Studium im Bereich Pflege wird nicht anerkannt

Ayse (38) floh 2014 zusammen mit ihrem Ehemann aus der Türkei in die Schweiz. Zunächst verbrachten sie mehrere Jahre im Durchgangszentrum, erhielten aber letztlich einen positiven Asylbescheid. Wie Eman in Norwegen erlebte auch Ayse den Zugang zum Schweizer Arbeitsmarkt als grosse Herausforderung, vor allem da sie keine Tätigkeit fand, die ihren Wünschen und Qualifikationen entsprach. Bevor Ayse in der Türkei aufgrund ihres regimekritischen Aktivismus inhaftiert wurde, hatte sie eine universitäre Ausbildung als Pflegefachfrau absolviert und umfangreiche Berufserfahrung in einem angesehenen, grossstädtischen Spital gesammelt.

Ayse möchte gerne ihren Beruf als Pflegefachfrau im Schweizer Gesundheitswesen ausüben, aber die zuständigen Behörden erkennen ihre Zertifikate nicht als gleichwertig an. Vom zuständigen Sozialdienst wurde sie kaum unterstützt, die nötigen Nachweise für eine Anerkennung ihrer Qualifikation zu erwerben. Stattdessen wird Ayse wiederholt nahegelegt, einer Tätigkeit als Pflegeassistentin nachzugehen. Diese basiert aber nicht nur auf einer niedrigeren Qualifikation als der, die Ayse eigentlich hat, sondern bedeutet auch eine geringere Entlohnung. Ayse kommt der Aufforderung nach und arbeitet «auf Abruf, darf aber nicht die Tätigkeiten einer Pflegefachfrau übernehmen», sondern kann nur einfache Aufgaben übernehmen. Dies empfindet sie als «nicht okay, weil das ist nicht mein Beruf». Zugleich bemüht sie sich weiterhin darum, die nötigen Fortbildungen für eine Anerkennung ihrer eigentlichen Qualifikation zu absolvieren.

Pflegeassistentin Ayse: «Der Anreiz zum Nichts-Machen ist gross.»

Durch den Kampf um berufliche Anerkennung hat Ayse «Zeit (…) und Energie verloren». Als Pflegeassistentin im Spital sagt Ayse: «Ich bin nie Teil einer Gruppe, ich bin immer die Fremde. (…) Erwachsene Geflüchtete sind draussen. Der Anreiz zum Nichts-Machen ist gross.» Ayse erfährt also wenig Unterstützung in ihrem Streben nach beruflicher Selbstverwirklichung. Sie würdigt den politischen Schutz des Schweizer Staates, erlebt ihren Alltag hier zugleich als erniedrigend. Abgesehen von Gefühlen der Frustration und Abwertung, bedeutet die Nichtanerkennung von Qualifikationen häufig auch wirtschaftliche Prekarität, denn die betroffenen Personen beziehen entweder Sozialleistungen oder gehen einer Tätigkeit im Niedriglohnsektor nach. Die daraus resultierenden finanziellen Engpässe bedeuten permanenten Stress im Alltag. Insbesondere den Bezug von Sozialhilfe erlebten Ayse und andere Forschungsteilnehmende als sehr problematisch. Zum einen haftet ihnen somit schnell ein Stigma an und zum anderen geht der Bezug von Sozialhilfe mit viel Kontrolle und Druck seitens der zuständigen Sozialdienste einher.

Situationen wie die von Eman und Ayse sind nicht nur für die Betroffenen persönlich frustrierend, sondern können auch für die zuständigen Sozialdienste eine Herausforderung bedeuten, da ihnen in vielen Fällen die Möglichkeiten fehlen, ihre Klient*innen im Einklang mit deren Bedürfnissen zu unterstützen.

Auswanderer Eman blickt auf den Hafen von Oslo.
Eman am Hafen von Oslo. Bei gemeinsamen Spaziergängen mit Forscher Manuel Insberg erzählte er regelmässig von seiner aktuellen Lebenssituation.

Fazit

Unsere Befunde zeigen, dass Personen, die in Norwegen und der Schweiz als Flüchtlinge anerkannt wurden, ihren Schutzstatus als wesentliche Grundlage für die Fortführung ihres Lebens wahrnehmen. Die meisten unserer Forschungsteilnehmenden betonten, dass das Leben in Norwegen und der Schweiz eine Erleichterung gegenüber den akuten Bedrohungen darstellt, die sie in ihren Herkunftsländern oder auf der Flucht erfahren haben. Der rechtliche Schutz ermöglicht den Menschen zudem, Wünsche und Erwartungen zu entwickeln, die unter Bedingungen grösserer Not oft unterdrückt bleiben (vgl. Appadurai, 2004). Die Wünsche und Erwartungen unserer Forschungsteilnehmenden beschränken sich selten auf das Verlangen, in physischer Unversehrtheit leben zu können. Vielmehr waren sie zukunftsorientiert und spiegeln das wider, was Sara Ahmed (2010) als das Streben nach einem erfüllten und glücklichen Leben beschreibt – einschliesslich sozialer und beruflicher Erfüllung sowie persönlicher Anerkennung.

Die Forschungsergebnisse unterstreichen, dass der Alltag Geflüchteter auch dann noch von Herausforderungen geprägt ist, wenn ihnen rechtlicher Schutz zugesprochen wurde. Asyl als Lebensumstand geht somit oft mit wesentlichen Belastungsfaktoren einher. Das Fürsorgesystem für anerkannte Geflüchtete ist direkt mit Integrationsprogrammen verbunden. Diese konzentrieren sich hauptsächlich auf den Spracherwerb und die Arbeitsmarktintegration. Obwohl es in diesen Bereichen zahlreiche Angebote gibt, sind diese oft nicht nur fördernd, sondern auch fordernd. Sie können Stress und Druck erzeugen. Die Beispiele von Ayse und Eman verdeutlichen: Rechtlicher Schutz schafft noch keine umfassende Sicherheit im Alltag. Um sie zu fördern, muss die Anerkennung weiter gefasst werden und auch persönliche Erfahrungen und Ziele sowie berufliche Qualifikationen mit einbeziehen.

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