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Zwischen Familie, Forschung und dem Fuji

26.06.2025 Seit sechs Monaten arbeitet Rika Koch an der Universität Yokohama in Japan. Zwischen Vorlesungen und Konferenzen, der Herausforderung des Familienalltags und der Remote-Arbeit für die Berner Fachhochschule meistert sie den Spagat zwischen zwei Kontinenten.

  • Helen Alt Spezialistin Kommunikation & Events IPST

Das Wichtigste in Kürze

  • Rika Koch lebt und forscht aktuell in Japan an der Universität Yokohama.

  • Gleichzeitig hat sie nach wie vor die Co-Leitung der Forschungsgruppe «Public Procurement and Law» am Institut Public Sector Transformation der Berner Fachhochschule inne.

  • Im Interview schildert sie ihre Erlebnisse der letzten paar Monate und welche Herausforderungen und Chancen das Forschungssemester in Japan mit sich bringt.

Prof. Dr. Rika Koch, Professorin für öffentliches Beschaffungswesen und Co-Fachgruppenleiterin am Institut Public Sector Transformation (IPST) der Berner Fachhochschule, forscht seit sechs Monaten an der Yokohama National University (YNU) in Japan. Das Forschungssemester eröffnet ihr nicht nur neue wissenschaftliche Perspektiven, sondern stellt sie auch vor die Herausforderung, Familie, Forschung und ihre Aufgaben an der Berner Fachhochschule gleichzeitig zu managen. Im Interview erzählt sie, wie sie die Arbeit zwischen zwei Kontinenten organisiert, welche Eindrücke sie von der japanischen Kultur und Forschung mitnimmt und welche besonderen Erlebnisse sie abseits des Berufsalltags in Japan geprägt haben.

Rika Koch in Japan
Rika Koch lebt und forscht aktuell in Japan.

Rika, du forschst und lehrst gerade in Japan. Was genau unterrichtest du in Yokohama?

Ich unterrichte zwei Fächer: «International Trade and Environment» auf Stufe Master und «Advanced Studies in International Trade» auf Doktoratsstufe. Im Fokus also Umweltrecht an der Schnittstelle zum Welthandelsrecht (WTO-Recht). Beide Gebiete sind ja momentan mit den aktuellen politischen Entwicklungen in den USA ziemlichen unter Druck geraten, um es milde auszudrücken.

Und woran forschst du in Japan?

Meine Forschung hier ist näher an dem, was das IPST und insbesondere meine Fachgruppe (Public Procurement and Law) machen: Digitalisierung des öffentlichen Sektors, insbesondere in Bezug auf IT-Beschaffungen. Die Expert*innengruppe ELSI an der Uni hier forscht zu «ethical, legal, and social issues of new science and technology». Kürzlich haben wir mit einer Uni aus Uzbekistan eine Konferenz durchgeführt, bei der die Perspektiven von Entwicklungsländern im Zentrum stand.

Was hat dich dazu bewogen, dieses Forschungssemester anzutreten?

Ich komme aus einer schweizerisch-japanischen Familie und habe deshalb einen persönlichen Bezug zum Land. Aber die ursprüngliche Idee kam tatsächlich von meinem Partner. Er hat als Kind selbst mal im Ausland gelebt und wollte unseren Kindern diese Erfahrung mit auf den Weg geben. Wir hatten das also schon immer im Hinterkopf und als sich die Gelegenheit dann beruflich ergeben hat, wussten wir: now or never!

Als Forscherin ist es für mich wichtig, über den Tellerrand zu blicken und rechtsvergleichend zu arbeiten. Japan ist besonders spannend: Es ist ein asiatisches Land, hat aber ein ursprünglich europäisches Rechtssystem, das aber wiederum nach dem zweiten Weltkrieg von den USA geprägt wurde.

Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten erlebst du in der Forschungskultur Japans im Vergleich zur Schweiz?

Japan und die Schweiz haben mehr Gemeinsamkeiten als man denken könnte: Die Menschen sind pünktlich, höflich, eher zurückhaltend und regeltreu. Diese Eigenschaften zeigen sich auch in einem Forschungsbetrieb. Der grosse Unterschied ist die Trink- und Ausgangskultur, die in Japan auch berufliche Beziehungen prägt.

Generell scheint mir in Japan das Tempo langsamer, Forschung findet mehr im «stillen Kämmerchen» statt. Die Uni wird als die goldene Zeit im Leben betrachtet, wo man Freundschaften knüpfen und Freizeit geniessen kann, bevor der Ernst des Lebens als «corporate slave» (das ist hier der geläufige Ausdruck!) beginnt. Was mich erstaunt hat, ist die gute Vorlesungsdisziplin der Studierenden und die gute, sprich enge, Betreuung der Studierenden durch die Dozierenden.

 

Die beiden 5- und 6-jährigen Söhne von Rika Koch und ihrem Partner besuchen in Yokohama den Kindergarten und die Schule. (Foto: Rika Koch) Bild vergrössern
Die beiden 5- und 6-jährigen Söhne von Rika Koch und ihrem Partner besuchen in Yokohama den Kindergarten und die Schule. (Foto: Rika Koch)
Weil das Meer nicht weit ist, liegt auch mal ein Tagesausflug an den Strand drin. (Foto: Rika Koch) Bild vergrössern
Weil das Meer nicht weit ist, liegt auch mal ein Tagesausflug an den Strand drin. (Foto: Rika Koch)

Dein Partner und eure beiden Söhne haben dich nach Japan begleitet. Wie sieht euer Alltag in Japan aus?

Unsere Kinder (5 und 6 Jahre)  gehen hier in die Schule und in den Kindergarten. Der Alltag ist also eng getaktet. Das japanische Schulsystem ist natürlich anders als das schweizerische und das alles in einer Fremdsprache verstehen zu wollen, braucht viele Nerven.

Es gibt aber auch Dinge, die hier einfacher sind: Wir müssen zum Beispiel nie kochen, weil die Restaurants und Take-Aways so günstig und gut sind. (Ich hoffe, ich kann noch kochen – in der Schweiz ist dann fertig lustig mit auswärts essen.) Meine Kinder lieben es auch, in die lokalen Badehäuser mit heissen Quellen zu gehen und weil das Meer nicht weit ist, liegt auch mal ein Tagesausflug an den Strand drin.

Gleichzeitig hast du auch noch die Co-Leitung deiner Fachgruppe in der Schweiz inne. Wie teilst du die Arbeit zwischen der Schweiz und Japan auf?

In den ersten Wochen habe ich nach dem «Gring abe u seckle»-Prinzip Pendenzen abgearbeitet und alle Termine zu allen Tageszeiten angenommen. Ich habe aber schnell gemerkt, dass das an die Substanz geht und keine nachhaltige Lösung ist.

Ich habe begonnen, mir bewusst Tage für die Uni hier zu blocken und an anderen Tagen nur für die BFH zu arbeiten. Wenn ich weiss, dass ich wegen der Zeitverschiebung bis spätabends arbeiten muss, plane ich mir nachmittags Pausen ein. So hat sich das gut eingespielt.

Ein Forschungssemester erfordert viel Planung, Kommunikation und Flexiblität, ist aber auch mit Familie möglich.

  • Rika Koch Professorin für öffentliches Beschaffungswesen und Co-Fachgruppenleiterin

Welche besonderen Erfahrungen oder Eindrücke aus Japan haben dich in den letzten Monaten geprägt?

Besonders berührt haben mich die Freundlichkeit und Herzlichkeit der Menschen hier. Die Gesellschaft in Japan ist kollektivistisch und ich weiss, dass das auch Kehrseiten haben kann, aber wir haben viel Hilfe erfahren. Ein grosses Highlight war es, zu sehen, wie schnell sich meine Kinder an die Kultur angepasst und die Sprache gelernt haben.

Was die Uni anbelangt, bin ich dankbar für das gute Verhältnis, das ich zu meinen Studierenden entwickeln konnte. Hie und da gehen wir zusammen essen und ich weiss so etwa, was in ihrem Leben gerade läuft. Ich hatte auch schon zweimal Besuch von Forscherinnen im Handels- und Beschaffungsrecht, die auf einer Japanreise an der Uni Yokohama Halt gemacht haben.

Japan ist wirklich ein wunderbares Land und wenn man sich darauf einlässt, kann man viel von der Kultur und den Leuten mitnehmen.

Besuch von Gastdozentin Prof. Dr. Marta Andhov in Yokohama. (Foto: zVg Rika Koch) Bild vergrössern
Besuch von Gastdozentin Prof. Dr. Marta Andhov in Yokohama. (Foto: zVg Rika Koch)
Gemeinsames Abendessen mit Studierenden. (Foto: zVg Rika Koch) Bild vergrössern
Gemeinsames Abendessen mit Studierenden. (Foto: zVg Rika Koch)

Was sind dabei die grössten Herausforderungen und wie meistert ihr sie?

Ich hatte grossen Respekt davor, dieses Abenteuer mit meiner ganzen Familie zu machen, weil ich wusste, dass dies Unsicherheiten und eine tektonische Verschiebung in unserer Familiendynamik mit sich bringen wird.

Und ja, am Anfang war es schon auch hart. Der administrative Aufwand war immens. Die Erfahrung, Ausländerin zu sein und (trotz Sprachkenntnissen) gefühlt nichts zu verstehen, hat mich demütig gestimmt. Das erschöpft. Und dann sollte man noch Zeit haben, seine eigenen Gefühlslagen und Bedürfnisse zu reflektieren und mit denen der anderen Familienmitglieder in Einklang zu bringen. Das erfordert Zeit, Geduld und viiiiiel Kommunikation. Irgendwie haben wir es geschafft und da bin ich ganz schön stolz drauf.

Was würdest du anderen Frauen mit Familie raten, die gerne im Ausland forschen wollen?

Oft wird von Akademiker*innen erwartet, im Ausland zu forschen. Aber vor allem für Frauen ist das oft schwierig, weil die «Rush Hour des Lebens», wo die Karriere gepusht werden muss, mit der Zeit einer etwaigen Familiengründung zusammenfällt. Wenn man Lust auf Ausland hat, sollte man es aber trotzdem wagen: Ein Forschungssemester erfordert viel Planung, Kommunikation und Flexiblität, ist aber auch mit Familie möglich!

Mein Partner und ich haben im Vorfeld viel diskutiert und geplant, Rollen verteilt, diese dann auch wieder verworfen und neu aufgeteilt. Manchmal muss man aber dann auch einfach «es Füfi grad» sein lassen und akzeptieren, dass im Ausland alles mehr Zeit braucht und dass das Paper jetzt halt noch ein bisschen warten muss, weil die Familie einen braucht oder man sich selbst mal eine Pause gönnen muss, um die Batterien aufzuladen.

Die Expert*innengruppe ELSI an der Universität Yokohama forscht zu «ethical, legal, and social issues of new science and technology». (Foto: zVg Rika Koch) Bild vergrössern
Die Expert*innengruppe ELSI an der Universität Yokohama forscht zu «ethical, legal, and social issues of new science and technology». (Foto: zVg Rika Koch)

Welcome back

Das Forschungssemester von Rika Koch endet per Ende Juli 2025. Das Institut Public Sector Transformation freut sich, Rika ab August auch wieder vor Ort auf dem Campus Marzili begrüssen zu dürfen!

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