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Wie ein Radiojournalist viel über die Ukraine lernte

24.04.2025 Radiojournalist Peter Voegeli hat das CAS Wiederaufbau Ukraine absolviert. Es soll ihm helfen, als Berichterstatter die drängenden Herausforderungen des vom Krieg gebeutelten Landes besser zu verstehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Radiojournalist Peter Voegeli absolvierte das CAS Wiederaufbau Ukraine, um ein tieferes Verständnis für die Herausforderungen des Landes zu erlangen und sich zu vernetzen.

  • Im Rahmen der Weiterbildung arbeitete er an konkreten Projekten und eignete sich umfassendes Wissen zu Infrastrukturthemen an.

  • Für Peter Voegeli war das CAS eine wichtige Gelegenheit, Neues zu lernen und sich fachlich weiterzuentwickeln.

Das Pochen eines Herzens ertönt, in hoher Schlagzahl, Anspannung und Unsicherheit in sich tragend. Dann sagt eine Stimme: «Das ist das Herzrasen eines Soldaten im Gefecht – irgendwo an der tausend Kilometer langen Front in der Ukraine.» Die sonore Stimme des Mannes mildert das Beklemmende in den Tönen und Worten, nimmt ihnen viel vom Beängstigenden, das sie umfasst.

Die Stimme gehört Peter Voegeli. Zu hören ist sie in einem Beitrag von Radio SRF. Der langjährige Auslandkorrespondent hat ihn für die Sendung «Echo der Zeit» im Januar 2025 realisiert. Darin stellt er das Projekt einer niederländischen Künstlerin vor, die Herzschläge von ukrainischen Soldat*innen aufgezeichnet und so das Grauen des Krieges in anderer Form zum Tönen gebracht hat.

Herausforderungen kennen lernen

In den letzten Monaten hat sich Peter Voegeli intensiver mit der Ukraine auseinandergesetzt. Nicht als Redaktor mit dem Mikrofon, sondern als Student an der BFH, wo er berufsbegleitend das CAS Wiederaufbau Ukraine absolvierte. Die Weiterbildung vermittelt den Teilnehmenden das Wissen, um Projekte für die Wiederherstellung der zerstörten Infrastrukturen zu planen, zu gestalten und durchzuführen. Er war unter den 25 Absolvent*innen der einzige ohne ukrainischen Pass.

Wie kommt ein arrivierter Schweizer Journalist, der als Korrespondent unter anderem in Berlin, Rom und Washington gearbeitet hat, dazu, das CAS zum Wiederaufbau der Ukraine zu besuchen? Weder ein persönlicher Bezug noch eine besondere Affinität zu Bau- und Infrastrukturthemen, wie Peter Voegeli zu Beginn des Gesprächs klarstellt: «Das CAS war eine ausgezeichnete Gelegenheit, um mich in kurzer Zeit mit den drängenden Herausforderungen der Ukraine vertraut zu machen, wertvolle Kontakte zu knüpfen und mit Menschen zu vernetzen, die dereinst hoffentlich eine Rolle beim Wiederaufbau des Landes übernehmen können.»

Peter Voegeli im Gespräch mit einer Mitstudentin des CAS Ukraine (zVg)
Peter Voegeli im Gespräch mit einer Mitstudentin des CAS Ukraine (zVg)

In Ukraine reisen

Als Auslandredaktor, der hauptsächlich aus der Schweiz sieben Länder im Norden und Osten Europas betreut, unterstützt er seit vergangenem Jahr unter anderem die Osteuropakorrespondentin von SRF in Warschau, die auch für die Berichterstattung über die Ukraine verantwortlich zeichnet. «Ich will so bald als möglich in das Land reisen und über dessen Zustand berichten.» Das Kriegsgeschehen sei und bleibe natürlich wichtig, ergänzt Voegeli, aber es gebe noch andere Themen, über die das Publikum zu informieren sich lohne.

Etwa, was es für die Bevölkerung bedeutet, in teilweise zerstörten Städten mit kollabierten öffentlichen Versorgungen für Energie oder Gesundheit leben zu müssen. Oder in Landstrichen, die mit Minen übersät sind. Und was es braucht, um die immensen Schäden, die von den Kämpfen zurückbleiben, zu beheben.

«Wenn ich dafür zuerst Ukrainisch hätte lernen müssen, wäre das zu umständlich gewesen und hätte zu lange gedauert», erklärt Peter Voegeli freimütig. Das CAS «Wiederaufbau Ukraine» habe ihm die Chance geboten, sich innert eines halben Jahres in Themen zu vertiefen, zu denen er sonst kaum Zugang gefunden hätte.

Ich habe enorm viel gelernt über Land und Leute, über Bedürfnisse und Hoffnungen, Chancen und Risiken.

  • Peter Voegeli Radiojournalist

Enorm viel gelernt

«Ich habe enorm viel gelernt über Land und Leute, über Bedürfnisse und Hoffnungen, Chancen und Risiken», führt Peter Voegeli aus. Seine Mitstudierenden hätten tausend Geschichten zu erzählen gewusst, er habe Einblick in die Sicht- und Denkweise von Architekt*innen, Ingenieur*innen, Planer*innen, Naturwissenschafter*innen erhalten. Zudem habe er sich wie erhofft ein Netzwerk in der Ukraine aufbauen und die wichtigsten Beteiligten der Ukrainehilfe in der Schweiz kennen lernen können.

Der Entscheid, das CAS «Wiederaufbau Ukraine» zu besuchen, fiel übrigens auf einer Bahnfahrt von Bern nach Zürich. Im Zug traf Peter Voegeli den Kollegen, der für das Radio einen Beitrag über die erste Ausgabe des Studiengangs von 2023 realisiert hatte. Nach der gemeinsamen Reise und den Schilderungen des Kollegen war für Voegeli klar: «Ich muss diese Weiterbildung absolvieren. Das bringt mir mehr, als lediglich mit den Teilnehmenden zu sprechen, wie ich es ursprünglich geplant hatte.»

Wasseraufbereitungsanlage einrichten

Nicht nur aus den Erzählungen der Mitabsolvent*innen, auch über Fachgebiete wie Wasser- und Stromversorgung, Stadtentwicklung, Bauplanung sowie Bautechnik für Holz- und Hybridbauten lernte er einiges. Peter Voegeli hebt die Methode des Building Information Modeling (BMI) hervor, die ihm vorher überhaupt nicht bekannt gewesen sei. Sie stellt Bauwerke mit all ihren Daten und Informationen als virtuelles dreidimensionales Modell dar und kommt für die Planung und die Ausführung von Bauten jeglicher Art zum Einsatz. Solches Wissen werde ihm dereinst helfen, die Problematik und die Dimensionen beim Wiederaufbau der Ukraine besser zu verstehen, so Voegeli.

Das CAS bestand jedoch nicht nur aus knochentrockener Theorie. In Fünfergruppen bearbeiteten die Studierenden je ein Projekt, das einen handfesten praktischen Beitrag an die Wiederherstellung von Infrastrukturen leisten soll. Peter Voegeli wirkte in der Gruppe mit, die sich mit Anlagen zum Aufbereiten von Trinkwasser beschäftigte. Denn in verschiedenen Regionen der Ukraine, insbesondere in der Nähe der Frontlinie, ist die Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Wasser prekär.

Die Absolvent*innen des CAS prüften, wie das bereits bestehende System möglichst kostengünstig und energiesparend eingesetzt werden könnte. Sofern sich Sponsoren aus der Schweiz finden lassen, ist vorgesehen, eine mit Solarstrom betriebene Anlage bei einem Spital in der Nähe der Stadt Charkiw einzurichten. «Wir hoffen, dass es nicht bei diesem Pilotprojekt bleibt, sondern sich noch mehr Sponsoren finden werden, die solche Systeme finanzieren», streicht Voegeli hervor. Der Lehrgang hat hörbar emotional seine Spuren hinterlassen.

Laufend weiterbilden

Nach Jahrzehnten als Radiojournalist in vieler Herren Länder ein CAS mit dem Fokus auf einen Wiederaufbau absolvieren – schimmert darin neben dem erwähnten vordergründigen Nutzen auch das Bekenntnis zum in der Wirtschaft hochgehängten Grundsatz des lebenslangen Lernens durch? Peter Voegeli überlegt einen Moment, ehe er antwortet: «Es gehört zum Job als Journalist, sich laufend weiterzubilden und neue Dinge zu lernen.» Nur so bleibe er auf der Höhe der Zeit und könne den Hörer*innen etwas glaubhaft vermitteln und verständlich erklären, hebt der erfahrene Radiomann hervor.

CAS «Wiederaufbau Ukraine»

Das CAS «Wiederaufbau Ukraine» ist ein Pionierprojekt. Die BFH hat es 2023 erstmals durchgeführt, das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO unterstützt den Lehrgang. Weitere Schweizer Hochschulen wirken als Partnerinnen mit, und verschiedene Schweizer Unternehmen geben den Teilnehmenden mit Kursen oder Exkursionen Einblicke in ihr Know-how. Das CAS richtet sich in erster Linie an Geflüchtete aus der Ukraine, die einen beruflichen Bezug zum Bausektor haben und das Rüstzeug erwerben wollen, um den Wiederaufbau von Gebäuden und Infrastrukturbauten zu beurteilen, mitzugestalten und leiten zu können. Das CAS dauert rund sechs Monate und umfasst 130 Lektionen im Plenum sowie 160 Lektionen im Selbststudium.

Die dritte Durchführung des CAS endet am 7. Mai 2025 mit einem öffentlichen Abschlusskolloquium, bei dem die Projektarbeiten präsentiert werden. Es findet am Departement Architektur, Holz und Bau, Solothurnstrasse 102 in Biel, statt. Anmeldeschluss ist der 30. April 2025.

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