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Forschung zeigt: Kleinspielformate funktionieren

26.06.2025 Mirjam Hintermann war selbst Fussballerin. Heute, unmittelbar vor der Women’s Euro 2025 unterstützt sie als Sportwissenschaftlerin junge Nachwuchstalente auf ihrem Weg vom Nachwuchs an die Spitze.

Das Wichtigste in Kürze

  • Kleineres Feld, weniger Spieler*innen, keine Torspieler*innen und vier kleine Tore: diese neue Spielform in Kombination mit der traditionellen Spielformat steht für Play More Football. 

  • Zusammen mit dem Schweizerischen Fussballverband SFV und Swiss Olympic hat EHSM-Forscherin Mirjam Hintermann das neue Turnierformat für Fussballsprösslinge entwickelt. 

  • Über drei Jahre wurde mit 32 Vereinen in der Schweiz getestet, was das neue Format leistet. 

  • Bei Play More Football kommen alle Kids zum Zug unabhängig von ihrer Könnensstufe. Das motiviert (nicht nur) die Stars von morgen. 

Im April 2025 gab es Blumen von höchster Stelle für Mirjam Hintermann und das Projekt, das sie über drei Jahre vorangetrieben hatte. Play More Football wurde nämlich vom europäischen Fussballverband UEFA mit dem Grassroots Award im Bereich Best Participation Initiative ausgezeichnet.  

Turnierformat mit vier Toren

Hinter Play More Football steht eine Variante des Turnierfussballs für die jüngsten Junior*innen: Zusätzlich zum klassischen Spielformat kommt bei Play More Football ein kleineres Feld mit weniger Spieler*innen zum Einsatz. Neu wird auf dem grösseren Feld sechs gegen sechs und auf dem kleineren Feld drei gegen drei gespielt. Durch die Integration des Kleinspielformat führen weniger Kraft und Ausdauer, sondern viel mehr Finesse und Technik zum Erfolg.  

Wir haben nach einem Format gesucht, das alle ins Spiel integriert und für alle möglichst viele Aktionen und Spielentscheide ermöglicht.

  • Mirjam Hintermann Forscherin

Zudem wird so automatisch involviert, wer auf dem Platz steht. Es gibt nicht zwei, sondern vier Pop-up-Tore, sowie etwas andere Regeln, die die Spieler*innen dazu anregen, variantenreiche Aktionen auf dem Feld zu erkennen. Wer beispielsweise ins Aus schiesst, muss seinen Ball holen gehen. In der Zwischenzeit spielen die anderen in Überzahl mit einem zweiten Ball weiter. Wer also unpräzise spielt, bestraft das eigene Team. Alles ist darauf ausgelegt, dass Spieler*innen möglichst viele Aktionen am Ball und viel Spielzeit erleben. Die Konsequenz: Mehr Freude am Spiel.  

Kinder spielen Fussball mit grossen und zwei kleinen Toren
Zusätzlich zum klassischen Spielformat kommt bei Play More Football ein kleineres Feld mit kleineren Toren und mit weniger Spieler*innen zum Einsatz.

Spielend lernen, statt nur trainieren

«Play More Football will allen jungen Fussballer*innen optimale Bedingungen für ihre fussballerische Weiterentwicklung ermöglichen», erklärt Mirjam Hintermann die Ausgangslage, denn «die Spielweise im Wettkampf hat einen wesentlichen Einfluss auf die Trainingsinhalte.»  

Fussball ist die populärste Sportart für Kinder in der Schweiz. Gleichzeitig gilt: Junge Spieler*innen, die beim Training oder im Wettkampf ständig unter- oder überfordert werden, laufen Gefahr, das Hobby aufzugeben. «Deshalb», so Hintermann weiter, «haben wir nach einem Format gesucht, das alle ins Spiel integriert und für alle möglichst viele Aktionen und Spielentscheide ermöglicht.»  

Die Studie hat bestätigt, dass die Kombination von Gross- und Kleinspielformen funktioniert.

  • Mirjam Hintermann Forscherin

Vor Beginn der Studie habe man sich natürlich intensiv mit den Trainer*innen aus der Praxis ausgetauscht und sei – auch aufgrund bestehender wissenschaftlicher Erkenntnisse – schnell auf ein Kleinspielformat als mögliche Ergänzung der bestehenden Spielform gestossen.

Gleichzeitig wollte der Verband konkrete Belege dafür, dass das Konzept funktioniert. «Zahlen, die belegen, dass solche Formate in der Praxis funktionieren und einen Mehrwert bieten», erklärt Hintermann, «sind für den Verband sehr wichtig». Deshalb nahm Mirjam Hintermann 2017 den Ball als Forscherin auf. Mit 32 Teams sammelte sie über drei Jahre Daten, analysierte und fasste zusammen.

Kombinierte Spielform funktioniert

Und das mit Erfolg: Die Resultate zeigen, dass die Spieler*innen im neuen Format klar aktiver sind. Während sie auf dem grossen Feld 2.63 Spielaktionen (pro Spielminute) haben, kommen sie im neuen Format 4.27-mal an den Ball. Bei Junior*innen, die auf dem grossen Spielfeld eher wenige Aktionen haben, ist der Effekt sogar noch grösser. Sie kommen auf dem Kleinfeld zu 71% mehr Spielaktionen als auf dem Grossfeld. Heisst: Play More Football bewirkt durchaus, was auf dem Etikett steht. Die Spieler*innen nehmen mehr Bälle an, passen und dribbeln öfter und schliessen mehr ab. 

Das freut Mirjam Hintermann: «Die Studie hat bestätigt, dass die Kombination von Gross- und Kleinspielformen funktioniert». Dabei lägen die Vorteile des höheren Involvements der Junior*innen auf der Hand. Dank der vielen Aktionen und Wiederholungen, machen Spieler*innen schnell Lernfortschritte, die sich – anders als bei isolierten Trainingsübungen – relativ leicht auf das Geschehen auf dem Feld übertragen lassen.  

Es hat beim Umsetzen enorm geholfen, die Vorteile der neuen Spielform schwarz auf weiss aufzeigen zu können.

  • Mirjam Hintermann Forscherin

Wissenschaftliche Daten überzeugen Vereine

Die Studie legte also den Ball vor, allerdings hat es noch einiges an Arbeit erfordert, um aus dem Konzept gelebten Alltag im Schweizer Vereinsfussball zu machen. Play More Football ist zwischen 2020 und 2023 vom SFV in der ganzen Schweiz eingeführt worden. «Immer wieder konnte ich vor und während der Implementierungsphase meine Studienergebnisse vorstellen», erläutert Mirjam Hintermann, und: «Es hat beim Umsetzen enorm geholfen, die Vorteile der neuen Spielform schwarz auf weiss aufzeigen zu können».   

Den Erfolg von Play More Football, zu dem sie mit ihrer Forschungsarbeit entscheidend beigetragen hat, nimmt Mirjam Hintermann gelassen. «Ich bin im Fussball zuhause», sagt die ehemalige Fussballerin. Nicht nur Play More Football, sondern auch ihre jüngeren Forschungsarbeiten belegen dies eindrücklich:  

So hat Hintermann untersucht, wie das biologische Alter im Jugendfussball zu einem Ungleichgewicht in der Chancengleichheit führen kann und mit welchen Massnahmen der Selektionsprozess optimiert werden könnte. Ihre jüngste Forschungsarbeit analysiert, wie Nachwuchsfussballerinnen aktiv nach Informationen in der Spielumgebung suchen (Scanning), inwiefern Spielerinnen dies trainieren und sich dadurch verbessern können.  

«Mir liegt die Weiterentwicklung des Schweizer Fussballs sehr am Herzen und ich freuen mich, dass ich mit meiner Arbeit als Sportwissenschaftlerin etwas dazu beitragen kann», so Mirjam Hintermann. 

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