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Mit mehr Transparenz zu fairen Medikamentenpreisen?

01.05.2025 Bei immer mehr Arzneimitteln kommen geheime Rabatte zum Einsatz. Das erschwert sowohl die Vergleichbarkeit als auch die Preisverhandlungen. Der eigentliche Nutzen eines Medikaments bleibt dabei unberücksichtigt. Ein neues Berechnungsmodell soll dies ändern.

Das Wichtigste in Kürze

  • In der Schweiz steigen die Ausgaben für Medikamente stark an – auch wegen neuer, hochpreisiger Therapien und intransparenter Rabatte.

  • Offizielle Listenpreise weichen zunehmend vom tatsächlichen Preis ab, was internationale Preisvergleiche und faire Verhandlungen erschwert.

  • Das Swiss Drug Pricing Model schlägt eine Preissetzung basierend auf dem Zusatznutzen eines Medikaments vor – für mehr Transparenz und fairere Preise.

Medikamente werden in der Schweiz immer teurer und gleichzeitig häufiger eingesetzt. 2023 gaben die Krankenversicherungen in der Schweiz pro Kopf fast 1000 Franken für Arzneimittel aus – mehr als in jedem anderen europäischen Land. Dies belastet nicht nur die Versicherungen, sondern auch die Prämienzahler*innen. Medikamente machen heute 22 Prozent der Kosten in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung aus.

Die Gründe, warum wir in der Schweiz so viel Geld für Medikamente ausgeben, sind vielfältig. Einer davon ist beispielsweise der nach wie vor geringe Einsatz von Generika oder Biosimilars anstelle von Originalpräparaten, ein anderer die mengenmässige Zunahme des Medikamentenkonsums in einer alternden Gesellschaft. Ein weiterer Treiber für das Kostenwachstum sind neue, hochpreisige Medikamente. Neu entwickelte Therapien, besonders im Bereich Krebstherapie, Immunsuppressiva und Antidiabetika, werden zunehmend bei mehr Menschen und über eine längere Dauer eingesetzt. Laut dem Arzneimittelreport von Helsana machen Krebs- und Immunsystemmittel rund 30 Prozent der gesamten Medikamentenkosten aus, obwohl sie nur für 2,7 Prozent aller Bezüge verantwortlich sind.

Swiss Drug Pricing Modell

Mit Vergleichen zum Listenpreis

Doch wie kommen die Medikamentenpreise in der Schweiz überhaupt zustande? Der offizielle Prozess ist klar vorgegeben: Nachdem Wirkung und Risiken eines neuen Medikaments durch das Schweizerische Heilmittelinstitut Swissmedic abgeklärt wurden, überprüft das Bundesamt für Gesundheit BAG die sogenannten WZW-Kriterien: Relative Wirksamkeit im Vergleich zu anderen Medikamenten, die Zweckmässigkeit und – für den Preis entscheidend – die Wirtschaftlichkeit. Letztere wird durch zwei Vergleiche erwogen:

  • Der Auslandpreisvergleich (APV): Die Preise werden mit jenen in neun europäischen Ländern verglichen. Ziel ist es, überhöhte Preise zu vermeiden.
  • Der therapeutische Quervergleich (TQV): Hier wird geprüft, ob der Preis eines neuen Medikaments im Verhältnis zu bestehenden Behandlungen angemessen ist.

Auf dieser Basis verhandelt das BAG oder die Krankenkassen den Preis mit der Herstellerfirma. Der vereinbarte Preis kommt schliesslich auf die sogenannte Spezialitätenliste. Diese Liste umfasst alle Medikamente, die von der obligatorischen Krankenversicherung erstattet werden. Sie dient als Referenz für Ärzt*innen und Apotheken, um sicherzustellen, dass nur wirtschaftliche und medizinisch sinnvolle Arzneimittel entsprechend der WZW-Kriterien erstattet werden.

Mit geheimen Rabatten zu «Schaufensterpreisen»

Soweit der offizielle Prozess. In den letzten Jahren haben sich jedoch geheime Verhandlungen zwischen dem BAG und den Herstellerfirmen etabliert. Um einen möglichst raschen und kostengünstigen Zugang zu neuen und hochpreisigen Arzneimitteln – insbesondere in der Onkologie oder bei seltenen Krankheiten – zu ermöglichen, kommen sogenannte Preismodelle zur Anwendung. Das sind vertrauliche Rückerstattungen oder Rabatte, die vom offiziellen Listenpreis abgezogen werden. Die Folge: Der Preis auf der offiziellen Spezialitätenliste stimmt nicht mit dem realen Nettopreis überein, er ist ein sogenannter «Schaufensterpreis».

Rabatte sind gut – wo liegt das Problem? Das sieht auch der Bundesrat so. Er befürwortet die Etablierung vertraulicher Preismodelle, um die Kosten für teure Medikamente zu senken. Dieses Vorgehen soll im Krankenversicherungsgesetz (KVG) verankert werden. Doch die Situation ist komplizierter: Da viele Länder wie die Schweiz die Medikamentenpreise anhand internationaler Vergleiche festlegen, führt ein hoher Listenpreis in der Schweiz dazu, dass auch andere Staaten höhere Preise akzeptieren – und umgekehrt ebenfalls. Der Auslandpreisvergleich (APV) verliert seine Aussagekraft, da «Schaufensterpreise» miteinander verglichen werden, ohne dass die vertraulichen Rabatte bekannt sind.

Wirtschaftlichkeit neuer Medikamente in der Schweiz

Die BFH hat das Swiss Drug Pricing Model (SDPM) in Zusammenarbeit mit den vier Krankenversicherern Helsana, Sanitas, CSS und SWICA entwickelt. Die Forschenden des Instituts für Gesundheitsökonomie und Gesundheitspolitik haben anhand einer systematischen Literaturrecherche die Methoden bestehender Bewertungsschemen analysiert, und für das SDPM diese Methoden auf die Bedürfnisse des Schweizer Gesundheitswesens angepasst.

Mehr Transparenz durch das Swiss Drug Pricing Modell

Im ganzen Prozess der Preisfindung fällt auf, dass der Nutzen eines neuen Medikaments nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei könnte genau dieser Zusatznutzen die transparente Basis für eine faire Preisverhandlung sein. So sieht es das Swiss Drug Pricing Model (SDPM) vor. Entwickelt von Forschenden am Institut für Gesundheitsökonomie der BFH will das Modell mit Evidenz eine effiziente Orientierung für die Verhandlungsparteien bieten. Anhand der Bewertung des Zusatznutzens und der Kosten der bisherigen Standardbehandlung schlägt das Modell eine Preisspanne für neue Therapien vor. Der Zusatznutzen wird dabei anhand des Gesamtüberlebens, der Lebensqualität und der Sicherheit berechnet.

Mit dem SPDM als Verhandlungsgrundlage geht auch die Hoffnung auf faire Medikamentenpreise einher. Mehr Transparenz fördert den Wettbewerb, da Firmen ihre Preise am Nutzen einer Therapie orientieren müssten. Langfristig könnte dies die Gesundheitskosten senken und den Zugang zu bezahlbaren Medikamenten verbessern.

Neue Wege im Gesundheitswesen

Das Schweizer Gesundheitssystem steht vor Herausforderungen, die mutige neue Wege erfordern. In einer Reihe von Beiträgen präsentieren wir Forschungsprojekte der Berner Fachhochschule, die praxisorientierte Lösungen entwickeln – von innovativen Versorgungsmodellen über digitale Assistenzsysteme bis hin zu nachhaltigen Finanzierungsansätzen.

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