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Frauenfussball: Wie Verletzungen reduziert werden können

11.06.2025 EHSM-Forscherin Hélène Maystre untersucht in einer Studie mit 250 Elite-Fussballerinnen, welche Zusammenhänge es zwischen dem Verletzungsrisiko und Belastungen auf und neben dem Spielfeld gibt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Belastungen im Alltag können das Verletzungsrisiko auf dem Spielfeld beeinflussen. 

  • Die Belastungen sind im Frauenfussball andere als im Männerfussball. 

  • Unter anderem auch deshalb, weil sie – selbst wenn sie an der WEURO mitspielen – oft darauf angewiesen sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. 

  • In einer Studie wird erforscht, welche Faktoren auf und neben dem Spielfeld das Verletzungsrisiko für Frauenfussballerinnen erhöhen.  

Hélène Maystre ist eine Forscherin, die Fussball spielt. Und eine Fussballerin, die forscht. Am 2. Juli 2025 wird sie – selbstverständlich, wie sie selber sagt – live an der Women’s Euro dabei sein. «Ich werde als Fan in der ersten Reihe stehen», sagt sie voller Überzeugung, denn «Fussballerinnen sind Heroes». 

Frauenfussball ist anders

Was ihre Heldinnen alles durchmachen, damit sie am entscheidenden Tag im Scheinwerferlicht der grössten Schweizer Stadien zu Bestleistung auflaufen können, das weiss Hélène Maystre, die Forscherin, nur zu gut. In einer gross angelegten Studie, die während einer ganzen Saison verschiedene Faktoren für die Gesundheit und Verletzungen von Profispielerinnen misst, will Hélène Maystre herausfinden, wie die Lebensumstände neben dem Spielfeld mit der Leistung auf dem Platz zusammenhängen. 

Die Spielerinnen müssen alle neben dem Spitzensport arbeiten, studieren und ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen.

  • Hélène Maystre Forscherin

Natürlich gebe es bereits Studien zu dieser Frage, erklärt sie. Aber die meisten Studien widmen sich dem Herrenfussball. Diese Resultate liessen sich nur bedingt übertragen, so Maystre, denn: «Frauenfussball ist anders». So spielen oft schon sehr junge Spielerinnen in der höchsten Liga. «Dabei ist der Kontext ganz anders», erklärt Hélène Maystre: «Bei den Frauen gibt es keine Profi-Liga. Die Spielerinnen müssen alle neben dem Spitzensport arbeiten, studieren und ihren sozialen Verpflichtungen nachkommen.» Die Belastungen sind also ganz andere als bei einem männlichen Profi, der sich beruflich ganz auf den Fussball konzentrieren kann. Auch die verfügbaren Mittel, die Trainingsinfrastruktur und die Infrastruktur unterscheiden sich deutlich. 

Frauenfussballspiel
Fussballerinnen im Einsatz auf dem Rasen in Genf.

Belastungen abseits des Spielfelds

Aus einer Vorstudie mit 12- bis 15-jährigen Spielerinnen in Biel weiss Hélène Maystre, dass Verletzungen im Frauenfussball auf Amateurstufe oft saisonalen Charakter haben. Verletzungspeaks treten jeweils zu Beginn oder am Ende von intensiven Spielphasen auf. Daraus habe man Erkenntnisse fürs Training ableiten können. Dass angepasste Trainingsmethoden bitter nötig sind, zeigt der Umstand, dass von den zwanzig in der Vorstudie untersuchten Spielerinnen immer mindestens eine Spielerin schwer verletzt war.   

Die Spielerinnen machen das für die jungen Spielerinnen, die nach ihnen kommen. Das finde ich stark!

  • Hélène Maystre Forscherin

In der laufenden Studie wird dieser Ansatz auf den Profisport übertragen. In ihrer Studie befragt Maystre während einer ganzen Saison die rund 250 Spielerinnen der Schweizer U20-Liga. Diese füllen wöchentlich einen Fragebogen aus, in dem sie ihren Gesundheitszustand festhalten. Zusätzlich dokumentieren Physiotherapeut*innen ebenfalls einmal in der Woche die Verletzungen der Spielerinnen. Es entsteht ein Datensatz in bisher noch nicht dagewesener Grösse. 

Eine Fussballerin führt einen Sprung-Test aus, während eine andere Frau sie dabei beobachtet.
Hélène Maystre überwacht einen Leistungstest im Rahmen der Studie.

Langfristig Mehrwert für Spielerinnen

«Mein Job ist es, die Spielerinnen zu motivieren», sagt Maystre, denn der Mehrwert der Studie wird den befragten Spielerinnen noch wenig nützen. Erst die nächste Generation Spielerinnen, werde von den in der Studie aufgedeckten Mustern – und entsprechenden Anpassungen im Training und Leben neben dem Sport – profitieren: «Die Spielerinnen machen das nicht für sich, sondern für die jungen Spielerinnen, die nach ihnen kommen. Das finde ich stark!» 

Endlich macht das mal jemand!

  • Studienteilnehmende

Die Studie läuft noch bis im Juni 2025, erste Resultate werden rund ein Jahr später erwartet. Vom Nutzen der Studie für die Spielerinnen der Zukunft ist Hélène Maystre aber schon jetzt überzeugt. «Dank des grossen Datensatzes werden wir aufzeigen können, wie soziale und mentale Faktoren (z.B. Schlafmangel) mit dem physischen Verletzungsrisiko zusammenhängen», führt sie aus.  

Mit ihrer Zuversicht ist sie nicht allein: Von den Spielerinnen komme durchwegs positives Feedback. «Endlich macht das mal jemand», habe sie schon oft gehört. Hélène Maystre hofft, dass einige ihrer heutigen Probandinnen auch dank ihrer Arbeit als Forscherin es mit weniger Verletzungen an die nächste Women’s Euro 2029 schaffen. Dass sie als Fan dabei sein wird, ist jetzt schon klar. 

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