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Damit Landwirtinnen stärker in Erscheinung treten

06.06.2025 Frauen, die einen Landwirtschaftsbetrieb leiten, sind in der Schweiz rar. Ein Forschungsprojekt der BFH will diese Frauen vernetzen und öffentlich sichtbarer machen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Auf Schweizer Bauernhöfen arbeiten rund 40’000 Frauen, knapp die Hälfte von ihnen unentgeltlich.
  • Nur 7 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe werden von Frauen geleitet.
  • Ein Forschungsprojekt will diese Frauen vernetzen und in der Öffentlichkeit sichtbarer machen.

Eine Frau fährt auf einem Traktor über ein Feld und zieht mit dem angehängten Pflug Reihe für Reihe Furchen in den Ackerboden. Ein eher seltenes Bild in der Schweizer Landwirtschaft. Denn von den rund 47'000 Bauernhöfen, die das Land zählt, befinden sich gerade mal 7 Prozent unter der Leitung einer Frau. Demgegenüber stehen an die 40'000 Frauen, die auf den Betrieben mitarbeiten. Oftmals handelt es sich um Bäuerinnen, die durch eine Partnerschaft mit dem Betriebsleiter auf den Hof gekommen sind.

Damit es nicht zu einer Verwechslung kommt: Eine Lehre als Landwirt*in umfasst Bereiche wie Pflanzenbau, Tierhaltung und Landtechnik, bei der Fachausbildung zur Bäuerin steht die Hauswirtschaft im Zentrum.

Landwirtinnen fehlt eine Lobby

«Frauen spielen auf landwirtschaftlichen Betrieben eine enorm wichtige Rolle», erklärt Sandra Contzen. «Ohne ihre Mitarbeit, die nicht selten unentgeltlich erfolgt, könnten viele Bauernbetriebe nicht überleben», hält die Agrarsoziologin fest. Besonders frappant ist für sie die Untervertretung von Frauen in der Betriebsführung: «Die Landwirtschaft ist noch immer eine Männerdomäne. Mehr und mehr Frauen sind hier tätig, doch Landwirtinnen mit eigenem Hof bleiben rar.»

Ohne die Mitarbeit von Frauen, die nicht selten unentgeltlich erfolgt, könnten viele Bauernbetriebe nicht überleben.

  • Sandra Contzen Agrarsoziologin

Auf die Betriebsleiterinnen richten Sandra Contzen und ihr Team den Fokus in einem Forschungsprojekt. «Landwirtinnen haben keine Lobby, und sie fühlen sich durch die traditionellen Bauernorganisationen und Bäuerinnenverbände nicht repräsentiert.» Mit ihrem Projekt will die Wissenschaftlerin dafür sorgen, dass Landwirtinnen in der Öffentlichkeit sichtbarer werden und sich untereinander vernetzen können.

Eine Frau sitzt in der Führerkabine eines Traktors, der einen Anhänger mit geschnittenem Gras zieht
Frauen leiten nur 7 Prozent der rund 47'000 Bauernhöfe in der Schweiz.

Wichtiger Erfahrungsaustausch

Neben den agronomischen, wirtschaftlichen und politischen Herausforderungen, welche Landwirtinnen mit ihren männlichen Berufskollegen teilen, gibt es Themen, mit denen sie als Frauen oft allein dastehen. Sandra Contzen erwähnt als ein Beispiel die Mutterschaft: «Wenn eine Betriebsleiterin schwanger wird, stellt sich die Frage, wie die Betriebsführung gewährleistet werden kann und wie sie später den Spagat zwischen der Betreuung des Kindes und den Aufgaben auf dem Hof schafft.»

Frauen und Männer können sich grundsätzlich die Arbeit auf dem Hof und im Haushalt teilen.

  • Sandra Contzen Agrarsoziologin

In dem Projekt setzt Sandra Contzen stark auf den Einbezug von Landwirtinnen. Aus diesem Grund finden neben klassischer Literaturrecherche und Interviews mit Betriebsleiterinnen auch Arbeitskreise mit Frauen statt. «Wir bieten ihnen eine Plattform für Erfahrungsaustausch und entwickeln gemeinsam konkrete Massnahmen, um ihre Herausforderungen anzugehen.»

UNO-Jahr als Plattform nutzen

Aber reichen Forschungsergebnisse und Arbeitskreise, um die Scheinwerfer des öffentlichen Interesses auf Landwirtinnen richten zu können? «Nein», bekennt Sandra Contzen freimütig. Deshalb steht die Projektleiterin in Kontakt mit landwirtschaftlichen Organisationen. Bei den Bemühungen um mehr Aufmerksamkeit kommen ihr und dem Projektteam das von der UNO für 2026 ausgerufene Jahr der Landwirtinnen (Year of the Woman Farmer) entgegen.

Wirtschaft und sorgende Gesellschaft

Eine sorgende Gesellschaft (Caring Society) kümmert sich um das Wohl aller Menschen. Mit dem strategischen Themenfeld Caring Society will die BFH beitragen, dass die Sorge in unserer Gesellschaft mehr Gewicht erhält.

Zentral für das Funktionieren einer Gesellschaft ist auch die Wirtschaft. Welche Rolle spielt sie in einer Caring Society? Dieser Frage geht der Fachtag «Wirtschaft und Fürsorge: Kein Widerspruch» am 4. September nach. Dabei sollen auch konkrete Ansätze für eine unternehmerische Mitgestaltung einer sorgenden Gesellschaft diskutiert werden.

Es soll als Plattform dienen, um die in den Arbeitskreisen entwickelten Massnahmen zu verbreiten und einen Beitrag an die Gleichstellung der Geschlechter in diesem Sektor zu leisten. Das Projektteam befinde sich mit dem Schweizer Bauernverband im Austausch, um gemeinsame Aktivitäten zu koordinieren, merkt Sandra Contzen an.

Für paritätische Rollenteilung prädestiniert

Die Projektleiterin gibt sich überzeugt, dass die Landwirtschaft prädestiniert ist für eine paritätische Rollenteilung. «Frauen und Männer können sich grundsätzlich die Arbeit auf dem Hof und im Haushalt teilen.» Es gebe keinen Grund, weshalb einzelne Aufgaben Männern oder Frauen vorbehalten bleiben sollten.

Bei den Überlegungen, wie ein Bauernhof organisiert sein soll, geht Sandra Contzen noch einen Schritt weiter. Denkbar, so die Projektleiterin, wären auch Formen, bei denen nicht der Tradition folgend eine Familie den Betrieb führt, mit dem Mann als Chef und der Frau als Mitarbeiterin, sondern eine Einzelperson, zwei nicht verwandte beziehungsweise liierte Personen oder ein Kollektiv. Und auch die wirtschaftliche Verbindung zwischen Hof und Haushalt sei nicht zwingend erforderlich, gibt sie zu bedenken. An Gesprächsstoff wird es während des UNO-Jahres der Landwirtinnen und darüber hinaus nicht mangeln.

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