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«Eigene Projekte machten mir schon an der BFH Spass»
11.09.2025 Von der Mathematik zur Softwareentwicklung: Sophie Haug (35) ist Absolventin des Bachelors Informatik der BFH-TI und Preisträgerin des regionalen Siemens Excellence Awards 2023. Heute arbeitet sie beim globalen IT-Unternehmen Zühlke als Softwareentwicklerin.
Die gebürtige Baslerin Sophie Haug ist erst 35 Jahre alt, blickt aber schon auf eine lange berufliche Karriere zurück, die von Konsequenz zeugt: Bachelor in Mathematik an der ETH Zürich, Bachelor in Computer Science an der BFH-TI, dazu viele Jahre parallele Berufstätigkeit bis hin zur heutigen Tätigkeit als externe Softwareentwicklerin bei der Zühlke Group.

Siemens Excellence Award
Pro Fachhochschule wird im Sommer/Herbst die herausragendste Abschlussarbeit in einer technischen Studienrichtung mit einem Preisgeld von 4000 Franken prämiert. Unter den regionalen Sieger:innen der verschiedenen Fachhochschulen wird dann im Frühling des darauffolgenden Jahres der nationale Siemens Excellence Award gekürt. Der nationale Preis ist mit 10 000 Franken dotiert.
Der nationale Siemens Excellence Award wird in einen Publikumspreis und einen Jurypreis unterteilt. Für den Publikumspreis wird ein öffentliches Voting lanciert, das über mehrere Wochen läuft. Wer am meisten Stimmen holt, gewinnt den Publikumspreis, der mit 5000 Franken dotiert ist.
Kurz nach dem öffentlichen Voting müssen die Kandidat:innen ihre Arbeit vor einem Expertengremium von Vertretern der beteiligten Fachhochschulen und von Siemens Schweiz pitchen. Wer dieses Gremium am meisten überzeugt, gewinnt den Jurypeis, der mit 5000 Franken dotiert ist. Das heisst, die regionalen Sieger:innen haben zweimal die Chance auf ein Preisgeld von 5000 Franken.
Harter Start als Quereinsteigerin
Ursprünglich interessierte sich Sophie Haug für Geisteswissenschaften – eine Leidenschaft, die von ihrer Familie stark mitgeprägt wurde. Nach dem Mathematik-Studium und einem kurzen Ausflug in die Theologie merkte sie jedoch, dass sie in der Technik die Art von Denkaufgaben findet, die sie faszinieren: «In der Mathematik wie in der Informatik geht es darum, schwierige Probleme zu verstehen, Modelle zu entwickeln und systematische Lösungen zu finden.» Nach einem Praktikum arbeitete sie schliesslich sechs Jahre beim kleinen Softwareunternehmen CI Tech Sensors AG in Burgdorf, das sich auf Banknotenerkennung spezialisiert hat. Zeitgleich mit dem Stellenantritt begann sie ihr Informatik-Studium an der BFH-TI. «Der Einstieg war hart – im Gegensatz zu den meisten anderen, die aus der Berufslehre kamen, hatte ich kaum Vorkenntnisse. Ich arbeitete 70 Prozent und hatte abends Vorlesungen», erinnert sie sich. «Wenn wir aber eigenständig Projekte bearbeiten konnten, machte mir das Studium grossen Spass.»
KI-Modell zur Erkennung von Burnout
Fachlich spezialisierte sie sich in Richtung Data Engineering und Machine Learning – was sich auch in ihrer Bachelorarbeit widerspiegelt: Sie entwickelte ein KI-Modell zur Erkennung von Burnout-Anzeichen in Texten. «Dafür habe ich Aussagen von Betroffenen aus Dokumentationen transkribiert, verarbeitet und mit einem feinjustierten Modell – basierend auf BERT – ausgewertet. Es war ein Projekt, das ich von A bis Z selbst aufgebaut habe.» Für ihre herausragende Abschlussarbeit wurde sie in der Folge mit dem regionalen Siemens Excellence Award ausgezeichnet.
Der Input zum Thema kam von ihrer Betreuerin an der BFH-TI, Mascha Kurpicz-Briki, Professorin für Data Engineering, die sich intensiv mit der Humanen Digitalen Transformation beschäftigt. Als junge Professorin in einer Männerdomäne war sie eine grosse Inspiration für Sophie Haug. «Sie wusste schon als Kind, dass sie Informatik machen will und ist sehr stark auf ihrem Gebiet. Der Kontakt zu ihr war für mich sehr wertvoll.»
«Es ist nicht so binär, wie man sich das vorstellt. Es gibt viel mehr Facetten und Möglichkeiten als nur das Programmieren im stillen Kämmerlein.»
Programmieren und Teamarbeit
Seit 2024 ist Sophie Haug bei Zühlke angestellt, einem globalen IT-Dienstleistungsunternehmen. In ihrem aktuellen Projekt arbeitet sie im Auftrag der SBB an der Entwicklung von Applikationen. «Ich baue Tools, die von Menschen benutzt werden. Dafür muss ich viel kommunizieren, Bedürfnisse erkennen und mich in die Zielgruppe einfühlen – Zwischenmenschliches ist in diesem Berufsfeld sehr wichtig.» Ihr Arbeitsalltag ist eine Mischung aus Programmieren und Teamarbeit: Meetings, technische Entscheidungen, Designfragen – an manchen Tagen programmiert sie fast durchgehend, an anderen diskutiert sie im Team über Lösungen.
Die Suche von Herausforderungen ist eine Art Lebenseinstellung für Sophie Haug. «Das Gefühl, wenn du etwas Schwieriges für dich allein geschafft hast – das kann dir niemand mehr nehmen. Ich mag den auto-didaktischen Modus – ich will mich weiterentwickeln.» Dieser Modus zeigt sich auch in ihrer sportlichen Karriere: Mit 25 begann sie mit Taekwondo. «Mir wurde immer gesagt, ich sei unsportlich, und das Training war unglaublich hart.» Fünf Jahre später machte sie den schwarzen Gurt. Aktuell trainiert sie viel für den Laufsport. «Ich möchte fünf Kilometer in weniger als 20 Minuten laufen.» Nach einer Verletzung hat sie dieses Ziel aber auf 2026 verschoben.

«Als Frau fällst du immer auf»
Frauen sind in MINT-Studienfächern und technischen Berufen nach wie vor deutlich in der Minderheit. Im Studium war Sophie Haug eine von wenigen und in ihrer ersten Firma die einzige Frau in der Entwicklung. «Du fällst immer auf, und alles, was du sagst, wirkt direkt anders, weil du eine Frau bist», sagt sie. Die Hemmschwelle, die Kompetenz einer Frau anzuzweifeln, sei niedriger. «Und das ist ein Problem: Denn es macht alles anstrengender, und man kann kaum etwas dagegen tun.» In der jetzigen Firma sei es aber sehr gut: «Wir sind immerhin zwei Frauen im Team und das Arbeitsumfeld ist auf das Thema sensibilisiert.»
In MINT-Berufen und -Studien sei man überwiegend von Männern umgeben, sagt sie. «Manchmal ist das anstrengend – vielleicht ähnlich wie für Männer, die in der Pflege arbeiten.» Dass der Frauenanteil in technischen Bereichen kaum zunimmt, sieht sie als multidimensionales Problem. Der Sozialisierung schreibt sie dabei eine grosse Rolle zu: «Für mich ist es unverständlich, dass nicht mehr Frauen Mathematik studieren. Das hängt vermutlich mit den Mikro-Feedbacks zusammen, die du als Mädchen bekommst. Manche kokettieren sogar damit, dass sie schlecht in Mathe sind – aber niemand würde beispielsweise mit einer Deutschschwäche angeben.»
Die Ästhetik der Codes
Sophie Haug wünscht sich, dass die Vielschichtigkeit des Berufs als Software-Entwicklerin besser vermittelt wird. «Es ist nicht so binär, wie man sich das vorstellt. Es gibt viel mehr Facetten und Möglichkeiten als nur das Programmieren im stillen Kämmerlein.» Und was rät sie jungen Frauen, die einen Einstieg in die Informatik erwägen? «Man sollte keine Angst haben, wenn man nicht schon mit zwölf mit dem Programmieren angefangen hat. Informatik ist auch Sprache, Psychologie und – ja, Ästhetik. Es gibt auch schöne Codes! Und man kann es lernen – Schritt für Schritt.»