Kopfvoran in die Welt der Präzisionstechnologie

11.09.2025 Breites Grundlagenwissen, hohe Fachkompetenz, Erfahrung in wirtschaftsnahen Projekten: Das alles vermittelt der Master of Science in Precision Engineering, den die BFH zusammen mit der Universität Bern anbietet. Im Creative Engineering Lab in Bern sind es nur ein paar Schritte vom theoretischen Wissen zur industriellen Anwendung.

Die Schweizer Präzisionsindustrie geniesst weltweit einen hervorragenden Ruf und hat für das Land eine grosse wirtschaftliche Bedeutung. Viele Branchen sind auf Präzisionstechnologien angewiesen – und auf Fachkräfte, die sie erfolgreich einsetzen und weiterentwickeln. Das gilt besonders für den Kanton Bern und den Jurabogen, wo Unternehmen der Uhren-, Maschinen- und Medizintechnikindustrie starke Cluster bilden. Daher gehört die Förderung der Präzisions- und der Mediziningenieurwissenschaften zu den strategischen Zielen des Kantons. Der im Herbst 2022 gestartete Master-Studiengang Precision Engineering ist ein wichtiger Teil dieser Strategie. Er wird gemeinsam von der Universität Bern und der BFH-TI angeboten und steht Studierenden mit Bachelorabschluss in technischen und naturwissenschaftlichen Fachrichtungen offen. Studierende aus dem Ausland sind willkommen.

MSc Precision Engineering

Tauchen Sie in die faszinierende Welt der Ultrapräzisionstechnik und der photonischen Technologien ein und entwickeln Sie Produkte für die Zukunft.

Mit diesem in Voll- oder Teilzeit zu absolvierenden, internationalen und praxisorientierten Studium, welches von der Universität Bern und der BFH in Englisch angeboten wird, schaffen Sie die Grundlage für eine erfolgreiche Karriere.

Die Schwerpunkte «Ultraprecision Engineering» und «Optical Engineering» vermitteln anwendungsbasiertes und grundlagenorientiertes Wissen, um sichere und nachhaltige Produkte zu planen und entwerfen.

MSc in Precision Engineering

Anspruchsvoller Automatisierungsprozess

So wie zum Beispiel Sylvio Schnapperelle aus Deutschland, der in Grossbritannien einen Bachelor in Aerial Mechanic Engineering erlangt hat. Mit seinem Schweizer Kommilitonen, dem BSc-Maschinentechnikingenieur Michaël Magnin aus Bulle (FR), steht er in einem Labor an der Güterstrasse in Bern. Beide beugen sich über einen kleinen Industrieroboter und besprechen technische Aspekte ihres Projekts. Gemeinsam sollen sie für die Firma Econorm einen Vorgang automatisieren, der bisher in zeitaufwändiger und eintöniger Handarbeit ausgeführt werden muss: einen Metallring aus einem Haufen Schüttgut greifen, auf ein Uhren-Saphirglas aufspreizen und das umrahmte Glas für den nächsten Arbeitsschritt bereitstellen. Was einfach tönt, ist als automatisierter Prozess überaus anspruchsvoll. Er muss mithilfe von optischen Sensoren so gesteuert werden, dass er im industriellen Umfeld verlässlich und ohne Beschädigung der heiklen Gläser abläuft. «Ich bin optimistisch, dass wir zu einem guten Resultat kommen», sagt Sylvio Schnapperelle, «aber unser System muss seine Verlässlichkeit noch beweisen.»

«Der Austausch zwischen Hochschule, Studierenden und der Industrie im Masterstudium Precision Engineering ist für alle Beteiligten gewinnbringend.»

  • Prof. Dr. Beat Neuenschwander Leiter Institut ALPS

Präzisionstechnologie zur freien Verfügung

Das Projekt der beiden ist das zentrale Element ihres Studiums: Im zweiten und dritten Semester realisieren alle Studierenden in Teamarbeit und in direktem Kontakt mit der Industrie oder einer Forschungseinrichtung ein Projekt – von der Idee bis zum Prototyp. Dies tun sie im Creative Engineering Lab (CEL) an der Güterstrasse, wo ihnen in zahlreichen Labors eine High-Tech-Infrastruktur zur Verfügung steht: 3D-Scanner und -Drucker, ein kollaborativer Roboter, ein Rasterelektronenmikroskop, Geräte zur Oberflächenmessung und -beschichtung, solche zum Laserschneiden und -gravieren und vieles mehr. Parallel zur Arbeit an ihrem Projekt besuchen die Studierenden im CEL an drei Tagen der Woche Unterrichtseinheiten, die auf ihre Spezialisierungsrichtung – Ultraprecision Engineering oder Optical Engineering – zugeschnitten sind. Vor der Spezialisierung absolvieren sie im ersten Semester Basiskurse, die ihnen nötige Grundlagen vermitteln. Das vierte Semester steht für die Masterarbeit zur Verfügung. Der erfolgreiche Abschluss des universitären Studiums berechtigt zum Doktorat.

Automatisierung Fertigungsprozess
Michaël Magnin (Mitte) und Sylvio Schnapperelle informieren Beat Neuenschwander über den Stand ihres Projekts zur Automatisierung eines Fertigungsprozesses in der Uhrenindustrie. (Foto: BFH)

Den kreativen Prozess erlernen

Beat Neuenschwander, BFH-Dozent und Koordinator der Vertiefungsrichtung Optical Engineering, beschreibt die Eigenheiten des CEL so: «Hier lernen die Studierenden den kreativen Prozess, mit dem sie grundlagen-orientiertes Wissen für die Entwicklung von marktfähigen Anwendungen nutzen können. Wir unterstützen sie dabei, aber sie legen den Weg fest und sind selbst dafür verantwortlich, sich die nötigen Kompetenzen anzueignen.» Für Sylvio Schnapperelle ist das die grosse Herausforderung im Econorm-Projekt, doch er empfindet die Freiheit als positiv: «Es ist interessanter, als wenn dir alles vorgegeben wird.» Ein weiteres Plus des Studiengangs ist die Praxisnähe. Im Kontakt mit dem Industriepartner können die Studierenden ihr Netzwerk aufbauen und erhalten Rückmeldungen aus der «realen Welt» auf ihre Arbeit. Das werde geschätzt, bestätigt sein Studienkollege Michaël Magnin: «Unser Projekt ist nicht nur akademisch, sondern real – das ist sehr motivierend.» Für Dozent Beat Neuenschwander steht fest: «Der Austausch zwischen Hochschule, Studierenden und der Industrie im Masterstudium Precision Engineering ist für alle Beteiligten gewinnbringend.»

Neue Perspektiven für KMU

Zustande gekommen ist das Projekt der beiden Studierenden mit Econorm, weil die BFH dank einer früheren Zusammenarbeit wusste, dass das Unternehmen häufig kleine Stückzahlen verarbeitet. Die Automatisierung der Prozesse lohnte sich bisher nicht, weil eine Anlage für jede neue Serie aufwändig programmiert und eingerichtet werden müsste. Seit kurzem vereinfacht nun eine an der BFH-TI und im Spin-off Auto-Mate Robotics entwickelte Benutzeroberfläche die flexible Umrüstung von Roboter-Fertigungsanlagen und erleichtert so die Automatisierung in KMU. «Wir haben Econorm vorgeschlagen, eine für ihre spezifischen Bedürfnisse ausgerichtete Anlage im Rahmen eines studentischen Projekts zu entwickeln», sagt Christian Wyss, Assistent am Institute for Human Centered Engineering (HUCE) der BFH-TI und COO von Auto-Mate Robotics. Das Unternehmen aus Saint-Imier zeigte sich interessiert.

Vom Ehrgeiz gepackt

Michaël Magnin und Sylvio Schnapperelle informierten sich vor Ort über die Bedürfnisse von Econorm, bevor sie ihr Projekt im Creative Engineering Lab starteten. Bei diesem handle es sich um «freies Forschen und Entwickeln ohne vertraglich vereinbartes Auftragsziel», betont Christian Wyss. «Das Resultat kann auch sein, dass sich der Prozess nicht automatisieren lässt.» Das lassen die beiden Studenten nicht gelten, denn der Ehrgeiz hat sie längst gepackt. «Bei Econorm erwarten sie schon, dass wir ihr Problem lösen», sagt Michaël Magnin.

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