Steinschlag dank historischen Daten und KI voraussehen

05.06.2025 Der Felssturz im Walliser Bergdorf Blatten hat das enorme Zerstörungspotenzial von Naturgefahren vor Augen geführt – auch, wie schwer sich solche Ereignisse vorhersagen lassen. Ein Projekt der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL setzt auf maschinelles Lernen, um mit historischen Daten ein innovatives Vorhersagemodell zu entwickeln.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein BFH-HAFL-Forschungsprojekt kombiniert historische Daten mit maschinellem Lernen, um die Reichweite von Felsstürzen präziser zu modellieren.

  • Das Projekt Rockaval nutzt ein fast 100-jähriges Schweizer Energiemodell und weltweite Ereignisdaten, um KI-gestützte Gefahrenanalysen zu ermöglichen.

  • Ziel ist es, Gefahrenzonen besser abzugrenzen und Schutzmassnahmen gezielter zu planen – insbesondere angesichts zunehmender Naturgefahren durch den Klimawandel.

Wie plötzlich und gewaltig Naturgefahren im alpinen Raum sind, hat der Felssturz in Blatten im Wallis eindrücklich klar gemacht. Zwar konnte die Bevölkerung dank intensiver Überwachung frühzeitig in Sicherheit gebracht werden – doch die Beurteilung der Risiken bleibt komplex. Hier setzt das Forschungsprojekt der BFH-HAFL an.

Um realistisch einzuschätzen, welche Gebiete gefährdet sind, hilft die Modellierung von Ausbreitung und Reichweite von Steinschlägen. «Solche Simulationen sind essenziell für die Durchführung einer Gefahrenbeurteilung», erklärt Luuk Dorren, Professor für Naturgefahren und Risikomanagement an der BFH-HAFL. Die Modelle erlauben es, Gefahrenzonen abzugrenzen und Schutzmassnahmen zu definieren, beispielsweise den Bau von Steinschlagnetzen oder Dämmen. Auch die Evakuierung aus gefährdeten Gebieten kann auf dieser Basis geplant werden, ebenfalls Anpassungen in der Bau- und Nutzungsplanung.

Die Modelle erlauben es, Gefahrenzonen abzugrenzen und Schutzmassnahmen zu definieren. (Bild: Adobe Stock)
Die Modelle erlauben es, Gefahrenzonen abzugrenzen und Schutzmassnahmen zu definieren. (Bild: Adobe Stock)

Herausforderung der Modellierung

«Die Simulation von Steinschlagprozessen ist anspruchsvoll wegen der hohen Komplexität der Vorgänge», erklärt Luuk Dorren. Physikalische Modelle erfordern oft eine umfangreiche Kalibrierung, insbesondere an Standorten, für die keine historischen Daten vorliegen; das erschwert eine genaue Vorhersage erheblich. Eine Herausforderung ist insbesondere die Vorhersage der Sturzreichweite und Sturzenergie – also des Auslaufs und der Zerstörungskraft nach dem Abrutschen einer Felsmasse. «Sie ist ein wenig erforschtes Gebiet», betont Luuk Dorren.

Die Simulation von Steinschlagprozessen ist anspruchsvoll wegen der hohen Komplexität der Vorgänge.

  • Luuk Dorren Professor für Naturgefahren und Risikomanagement

Grosses Potenzial von maschinellem Lernen

Einen vielversprechenden Ansatz verfolgt der Forscher dazu in seinem Rockaval-Projekt, das die BFH-HAFL im Lead zusammen mit der INRAE Grenoble (FR) und Uni Lausanne UNIL durchführt. Ziel ist es, ein fast 100-jähriges Schweizer Energiemodell mit einer umfassenden Datenbasis weltweit aufgezeichneter Steinschlagereignisse und maschinelles Lernen weiterzuentwickeln. Das Modell soll topografische Merkmale, Sturzvolumen und andere relevante Faktoren kombinieren, um präzisere Vorhersagen über die Reichweite von Steinschlägen zu ermöglichen. Mithilfe von KI will der Naturgefahren-Experte bald «robuste Modelle zur Vorhersage der Sturzreichweite erstellen und so neue Standards in der Gefahrenanalyse setzen». Die umfassende Datenbank soll schliesslich für zahlreiche Forschungszwecke nutzbar sein.

Steinschlag dank historischen Daten und KI voraussehen. (Bild: BFH-HAFL)
Steinschlag dank historischen Daten und KI voraussehen. (Bild: BFH-HAFL)

Besserer Schutz als Ziel

Die Ergebnisse des Projekts könnten gemäss Luuk Dorren dazu beitragen, Präventionsmassnahmen besser zu planen und umzusetzen. Auch könnten Investitionen in Schutzmassnahmen effektiver gestaltet werden.

«Wir hoffen, dank des Rockaval-Projekts Steinschlagrisiken bald besser zu verstehen und dann gezielt minimieren zu können», so der BFH-HAFL-Forscher; das wäre ein bedeutender Schritt für den Schutz von Menschen und Infrastruktur angesichts der durch den Klimawandel bedingten steigenden Bedrohung durch Naturgefahren.

Über das Projekt

Beim Rockaval-Projekt handelt es sich um eine Zusammenarbeit von BFH-HAFL, INRAE Grenoble (FR) und Uni Lausanne UNIL. Es ist ein sogenanntes Lead-Agency Projekt (Zusammenarbeit zwischen SNF und die Agence Nationale de Recherche ANR, France), das Gesamtbudget liegt bei ca. CHF 500'000.

 

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Fachgebiet: Agronomie + Wald